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Dino Lüthy als Hoffmann mit der Doppelgänger-Puppe
Foto: Matthias Jung

Fantastische Reise ins Traumland

06. April 2017

Kai Anne Schuhmacher inszeniert „Hoffmanns Erzählungen für Kinder“ – Oper 04/17

Zugegeben, der Inhalt von „Hoffmanns Erzählungen“ des aus Köln gebürtigen, deutsch-französischen Komponisten Jacques Offenbach (1819-1880) ist ziemlich komplex. Dem Dichter Hoffmann (angelehnt an den romantischen Autor aus „Der Goldne Topf“) mangelt es an Inspiration. Deshalb entführt ihn die Muse der Dichtung ins Reich der Träume. Dort begegnet er allerlei fantastischen Gestalten, aber auch Bösewichten. Er verliebt sich in die Roboterfrau Olympia, die jedoch ihren Geist aufgibt. Dann begegnet er der kranken Sängerin Antonia, die von der Ruhmsucht zum Singen verführt wird und daran stirbt. Der bösen Zauberin, die ihren Opfern Gesicht und Seele stiehlt, gelingt es, sein Spiegelbild und damit ihn selbst einzufangen. Doch die Muse rettet ihn – Hoffmann erwacht, nunmehr reich an Geschichten. Der jungen Regisseurin Kai Anne Schuhmacher ist es gelungen, dieses nicht leicht zu verstehende Werk stringent zu kürzen, dabei die musikalischen Highlights zu erhalten. Die Kurzfassung feierte als Kinderoper am 1. April im Staatenhaus Premiere. „Es war ein große Herausforderung, den umfangreichen Stoff zu kürzen“, erzählt Schuhmacher. „Ich habe das gesamte Material, die verschiedenen Fassungen sowie die komplexe Entstehungsgeschichte gesichtet. Die Musik ist mitreißend und daher für Kinder geeignet. Und die Bilder funktionieren, sie werden von den Kindern begriffen.“


Regisseurin Kai Anne Schuhmacher inszeniert bunt und originell, Foto: Katja Sindemann

Passend zum Thema ist die Bühne mit Papierblättern übersät. Tenor Dino Lüthy, der bereits als Peter in den „Heinzelmännchen“ überzeugen konnte, ist mit Locken, Backenbart und Nickelbrille als E.T.A. Hoffmann gestylt. Die ihn umschwirrenden Musen vertreten mit entsprechenden Symbolen Musik, Malerei und Dichtkunst. Letztere wird durch Mezzosopranistin Sara Jo Benoot sowohl stimmlich als auch mimisch hervorragend verkörpert. Das böse Phantom, das Hoffmann zu Fall bringen will, wird von Bariton Insik Choi mit großer Hingabe gesungen und gespielt. Auf der Traumreise werden die Protagonisten durch Puppen gedoppelt: Hoffmann durch einen ihm nachempfundenen Pappkameraden, das Phantom durch einen künstlichen Kopf als Wurmfortsatz, Wissenschaftler tragen Muppet-Puppen auf dem Arm. „Wir wollten die drei Mittelakte der Traumreise klar vom ersten und letzten Akt trennen“, erläutert Kai Anne Schuhmacher. „Dazu haben wir das Spiel mit den Masken eingeführt, die eine andere Welt, eine andere Spielweise symbolisieren. Das Phantom als Puppe personifiziert die Angst. Der reale E.T.A. Hoffmann war Trinker und haderte oft mit sich selbst. Es geht darum, diese Angst zu stillen. Wir haben dafür einen anderen Ausdruck als den des Menschen gewählt.“


Dino Lüthy und Sara Jo Benoot singen die Barcarole, Foto: Matthias Jung

Frappierend ist, dass die 1880 entstandene Oper eine schöne Roboterfrau enthält, zu der Hoffmann in Liebe entbrennt, während die anderen ihn vergeblich auf deren Maschinennatur aufmerksam machen. Bereits E.T.A. Hoffmann hatte in seinen Werken die Angst seiner Mitmenschen vor technischen Neuerungen und Automaten thematisiert. Die Idee erhält angesichts heutiger, vom Menschen kaum mehr unterscheidbarer Androiden aktuelle Brisanz. Auch die Tragik der kranken Sängerin, die vom eigenen Ehrgeiz in den Tod getrieben wird, ist denkwürdig: Wie viele opfern Liebe, Gesundheit und Leben dem Ruhm? Dass jenen, die sich dem (Karten)Spiel ergeben, die Seele gestohlen wird, sie ihr Gesicht verlieren, hat doppelte Bedeutung: Die Auswirkungen der Spielsucht sind menschlich, finanziell und gesellschaftlich eklatant. Doch all diese Traumgebilde haben auch ihr Gutes. „Die Essenz der Oper ist die Suche des Dichters nach seinem Stoff“, so Schuhmacher. „Wie wird man inspiriert, wenn es einem nicht gut geht? Wir haben es auf dieses Motiv beschränkt und andere Inspirationen wie die durch Frau, Liebe oder Sexualität im Freudschen Sinn beiseitegelassen. Wir hoffen, dass sich die Eltern mit ihren Kindern über die Oper auseinander setzen. Und sie die Bilder und Emotionen als Erlebnis mitnehmen.“ Dafür sorgen auch musikalische Höhepunkte wie das Lied vom Kleinzack oder die Barcarole („Schöne Nacht, du Liebesnacht“). Das Publikum zollt der Premiere tosenden Applaus. Erwähnenswert ist, dass die Oper Köln zum dritten Mal einen Comic-Wettbewerb ausgeschrieben hatte, an dem sich über 70 Jugendliche beteiligten. Der Sieger-Comic von Michaela Riger (16) aus Wiehl, der die Opernhandlung anschaulich darstellt und von einer Fachjury ausgewählt wurde, wurde als Programmheft gedruckt. Auch dies ist ein interessanter Beitrag, um die komplexe Oper einem jugendlichen Publikum näher zu bringen.

„Hoffmanns Erzählungen für Kinder“ | R: Kai Anne Schuhmacher | 7., 13., 22., 23., 25., 26.4 11.30 Uhr, 9., 16.4. 15 Uhr, 19.4. 18 Uhr | Oper Köln im Staatenhaus | 0221 22 12 84 00

Katja Sindemann

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