Am 19. Mai 1957 wurde im immer noch kriegszerstörten Köln das neue Opernhaus am Offenbachplatz, entworfen von Stararchitekt Wilhelm Riphan, feierlich eröffnet – mit der romantischen Feenoper „Oberon“ von Carl Maria von Weber (1786-1826). Der schnörkellose moderne Bau war heftig umstritten und die Inszenierung, den Pressestimmen nach zu urteilen, ein Misserfolg. Intendantin Dr. Birgit Meyer erklärt uns: „Die Handlung ist verworren und wenig stringent, eine Mischung aus Rittersage und 1001 Nacht. Die Originalversion enthält viele gesprochene Dialoge. Es ist nicht erstaunlich, dass dies nicht ankam. Als Konsequenz daraus führen wir diesmal die Oper konzertant auf.“
Nicht nur das: Es wurde auf den ursprünglichen Text des deutschen Aufklärers Christoph Martin Wieland von 1780 zurückgegriffen. Werner Seitzer, Direktor des Theaters für Niedersachsen Hildesheim, hat aus dem Heldenepos Passagen ausgewählt und neu zusammengestellt und so die Musiknummern in eine verständliche Rahmenhandlung eingebettet. Diese wird durch Erzähler August Zirner grandios, durch Mimik und Gestik untermalt, vorgetragen. Nicht nur meistert er eloquent die altmodisch-anspruchsvolle Sprache, sondern verleiht der antiquierten Attitüde einen ironischen Unterton. Kurz zusammengefasst: Elfenkönig Oberon streitet mit Gemahlin Titania über Untreue. Ein Menschenpaar soll liebende Treue unter Beweis stellen. Ausgewählt wird im Reich Karls des Großen Ritter Hüon, der in Bagdad Kalifentochter Rezia gewinnen soll. Er schafft dies mit Oberons Hilfe und segelt mit ihr gen Italien. Da sie jedoch vorzeitig ihrer Begierde nachgeben, lässt der Feenkönig sie kentern. Hüon und Rezia sowie ihre Diener Scherasmin und Fatime landen in Tunis, wo sie ihre Treue im Angesicht des Todes unter Beweis stellen. Oberon rettet sie, der Friede im Feenreich ist wiederhergestellt, der Auftrag Karls des Großen erfüllt.

So verworren die Handlung, so traumhaft die Stimmen. Die Wiener Sopranistin Kristiane Kaiser brilliert als Rezia, der amerikanische Tenor Brenden Gunell steht ihr als Hüon ebenbürtig zur Seite. Mezzosopranistin Regina Richter begeistert als Fatime das Kölner Publikum, ebenso der Tiroler Bariton Wolfgang Stefan Schwaiger als Knappe Scherasmin. Tenor Jeongki Cho singt den Oberon professionell und präzise, lediglich das romantische Gefühl will ihm nicht ganz gelingen. Die Mezzosopranistin Adriana Bastidas Gamboa steht ihm als Elfe Puck zur Seite. Die Musik Carl Maria von Webers rief bereits bei der Uraufführung 1826 Begeisterungsstürme beim Publikum hervor, Dirigent Christoph Poppen gelingt es mit dem Gürzenich-Orchester perfekt, das Zarte und Feenhafte der Oper zu transportieren. Ebenso dem Chor der Oper Köln unter Leitung von Andrew Ollivant. Dass bei der konzertanten Aufführung Bewegung und Handlungsspielraum fehlen, mag von manchem bemängelt werden, andererseits ist die Gefahr gebannt, dass eine zeitgenössische Inszenierung dem zauber- und märchenhaften Duktus Gewalt antut. Dass „Oberon“ zugleich die liebende Vereinigung von Orient und Okzident beinhaltet, ist Zufall, so Meyer.
Bei der 60-Jahr-Feier wurde daran erinnert, dass die Oper Köln immer wieder Interimsstationen durchlaufen musste, gestern wie heute. Ein alter WDR-Beitrag zeigte die Eröffnung des Riphanbaus, damals eine architektonische Herausforderung. Neben dem Wunsch, möglichst bald in die Heimstätte am Offenbachplatz zurückkehren zu können, hofft Meyer für die nächsten Jahre, die Oper Köln in dieser Qualität weiterzuführen und für die zukünftige Generation attraktiv zu erhalten.

Am Sonntag, den 5. März fand auch die Premiere der modernen Oper „Die Antilope“ von Johannes Maria Staud statt. Sowohl Miljenko Turk als Protagonist Victor als auch Emily Hindrichs als Kunstskulptur meistern in ihren Arien die unverständliche Kunstsprache – Ausdruck von Kommunikationsverweigerung und mangelnder Beziehung – bravourös. Die Musik ist vielfältig, abwechslungs- und ideenreich, eingängige, erinnerbare Höhepunkte fehlen jedoch. Der Text von Durs Grünbein wirft zahlreiche Fragen und Gesellschaftskritiken auf, von der Unmenschlichkeit heutiger Arbeitswelt über brüchige Beziehungen bis zu Einsamkeit, bleibt jedoch Antworten schuldig. Warum das Zusammentreffen mit Zootieren die ersehnte Erlösung bringen soll, bleibt offen. Die Inszenierung der Firmenparty mit schwarzen Tiermasken als auch der sparsam gestalteten Wegstationen auf Victors nächtlicher Reise überzeugt. Als Annäherung an zeitgenössische Opernsprache kann die „Antilope“ empfohlen werden, wenngleich musikalisch und inhaltlich noch Luft nach oben besteht.
„Oberon“ – konzertante Aufführung | Mus. Leitung: Christoph Poppen | So 19.3. 19.30 Uhr | Oper Köln im Staatenhaus | 0221 22 12 84 00
„Die Antilope“ | R: Dominique Mentha | 18., 23.3. 19.30 Uhr, 26.3. 18 Uhr | Oper Köln im Staatenhaus | 0221 22 12 84 00
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