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12 Years a Slave

12 Years a Slave
USA 2013, Laufzeit: 135 Min., FSK 12
Regie: Steve McQueen
Darsteller: Chiwetel Ejiofor, Michael Fassbender, Benedict Cumberbatch, Paul Dano, Paul Giamatti, Brad Pitt, Lupita Nyong'o
>> www.12yearsaslave.de/

Intensives Historiendrama

Entmenschlichung
„12 Years a Slave“
von Steve McQueen

Nach seinen Meisterwerken „Hunger“ und „Shame“ wurde der neue Film des Künstlers und Regisseurs Steve McQueen bei seiner Premiere auf dem Toronto Filmfestival nicht nur von den Kritikern frenetisch gefeiert, sondern auch mit dem Publikumspreis ausgezeichnet, und gilt mit Abstand als Top-Favorit bei der kommenden Oscar-Verleihung: vollkommen zurecht.
Es gelingt ihm auf intensive und eindringliche Weise zu vermitteln, was das dunkelste Kapitel der amerikanischen Geschichte, die Sklaverei, für alle Beteiligten bedeutet hat, vor allem für die Opfer. Die wie immer hervorragende Bildgestaltung und exzellente Schauspielleistungen machen „12 Years a Slave“ zu einem in jeder Hinsicht historischen Film.

Gefährdetes Leben
Solomon Northup (Chiwetel Ejiofor ) führt zusammen mit seiner Familie ein bürgerliches Leben in New York, noch vor dem Sezessionskrieg. Er ist ein freier Mann und verdient seinen Lebensunterhalt als Violinist. Obgleich er als Afro-Amerikaner auch in den Nordstaaten hin und wieder Anfeindungen und Diskriminierungen ausgesetzt ist, gibt es für ihn die Möglichkeit zu einem selbstverwirklichten Dasein, das er voller Kultiviertheit und Anteilnahme für seine Nächsten gestaltet. Ein Angebot zweier Schausteller führt Northup in die Hauptstadt Washington, doch nach dem gefeierten Vertragsabschluss gibt es ein böses Erwachen: Am nächsten Morgen findet sich der zuvor Betäubte eingekerkert und in Ketten wieder. Die Betrüger machen ein lukratives Geschäft damit, ihn als Sklave in die Südstaaten zu verkaufen, eine unfassbare Praxis, die Steve McQueen mit der Adaption der Autobiographie Northups hier beleuchtet. Im Gegensatz zu seinen Vorgängerfilmen gibt es ein größeres Identifikationsangebot mit der Hauptfigur, was die Fallhöhe für den Zuschauer noch stärker erfahrbar macht. Aus dem Blickwinkel des schmerzlichen Entzugs aller Rechte führt Northup in eine erschreckende Welt der systematischen Entmenschlichung ein. Zunächst noch voller Aufbegehren, Trotz und Entrüstung – dann zunehmend mit nackter Verzweiflung.

All seiner Papiere beraubt, wird er unter dem Namen „Platt“ zusammen mit einigen Leidensgenossen auf einem Karren in den Hafen deportiert und von dort mit einem Schaufelraddampfer in den Süden verschleppt. Schon zu Beginn werden die unmittelbaren Konsequenzen einer solchen systematischen Gewalt deutlich – die Entsolidarisierung der Gesellschaft. Im permanenten Bedrohungsszenario halten selbst die Opfer nicht mehr zusammen und so erstickt jede Möglichkeit zum Aufstand im Keim der Angst. Dies visualisiert McQueen in einer besonders eindringlichen Plansequenz, in der Northup nach einem Konflikt mit einem Aufseher gelyncht werden soll. Doch es ist unklar, ob dies nicht den Plantagenbesitzer verärgern würde, und so lässt man den Verängstigten auf Zehenspitzen am Strick in der prallen Mittagssonne stehen, über Stunden hinweg. Nach und nach beginnt hinter ihm das zögerliche Alltagsleben der Mitsklaven, die ihren Blick schamhaft von ihm abwenden, während sie um ihn herum die Arbeit verrichten. Ein stärkeres Bild für eine zerbrochene Gemeinschaft ist kaum zu finden.

Geschichte als Erfahrungsraum
Solomons Martyrium verläuft entlang von verschiedenen Sklavenhaltern, die McQueen schlüssig und präzise porträtiert. Darunter finden sich Charaktere wie der eher wohlwollende William Ford (Benedict Cumberbatch), der an Solomons wachem Geist Gefallen findet und sich ihn nutzbar zu machen weiß, aber auch tief gestörte Sadisten wie Edwin Epps (Michael Fassbender), der das ernsthafte Pendant zu Tarantinos Plantagen-Psychopathen Calvin Candy darstellen könnte.

Dennoch ist „12 Years a Slave" vor allem ein Film über die Opfer und die Auswirkungen der Gewalt, bei dem die genauen Motivationen der Täter nicht im Vordergrund stehen. Im Gegensatz zu seinen vorherigen Spielfilmen setzt McQueen hier mehr auf die Kraft einer kontinuierlichen Handlung, was insgesamt einen konventionelleren Eindruck vermittelt, allerdings dem hohen Niveau der Inszenierung keinen Abbruch tut. Dies ermöglicht auch einem breiteren Publikum den Zugang zum Film und eine Möglichkeit der Konfrontation mit einem schweren Thema, was durchaus nachvollziehbar und auch wünschenswert ist.

Es finden sich darüber hinaus immer wieder Szenen mit einer ganz eigenen Qualität, die dem Zuschauer durch ihre Intensität noch lange im Gedächtnis bleiben werden. „12 Years a Slave“ bietet durch sie eine besondere Form der geschichtlichen Auseinandersetzung an, als Moment einer affektiven Erfahrung, welche die Zusammenhänge eines komplexen Gewaltsystems nachvollziehbar werden lässt. Zu einer der größten Leistungen des Films gehört das eindringliche Spiel von Chiwetel Ejiofor, der in seiner Verletzbarkeit große Stärke aufscheinen lässt, aber auch Lupita Nyong'os fragile Darstellung einer in jeder Hinsicht ausgelieferten jungen Frau beeindruckt durch ihre Unmittelbarkeit.

Steve McQueen ist es als Brite gelungen, einen der relevantesten filmischen Beiträge zur Aufarbeitung amerikanischer Geschichte zu realisieren und bietet damit einen herausragenden Auftakt des neuen Kinojahres.

Oscars 2014: Bester Film, Beste Nebendarstellerin, Bestes adaptiertes Drehbuch

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(Silvia Bahl)

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