3096 Tage
USA 2012, Laufzeit: 109 Min., FSK 16
Regie: Sherry Hormann
Darsteller: Antonia Campbell-Hughes, Thure Lindhardt, Amelia Pidgeon
>> www.3096tage.de
Drama über das Kellerkind Natascha Kampusch
Greifbarer
„3096 Tage“ von Sherry Hormann
1998 wird die zehnjärige Natascha Kampusch von einem Fremden entführt und von diesem in den eigens dafür ausgebauten Keller seines Hauses gesperrt. Achteinhalb Jahre lang dauert Nataschas Gefangenschaft.
Wenn ein Spielfilm auf Tatsachen beruht, vermag er die Realität, in diesem Falle das unfassbare Grauen, nicht greifbar zu machen – allenfalls greifbarer. Regisseurin Sherry Hormann („Wüstenblume“, „Anleitung zum Unglücklichsein“) bleiben 109 Minuten Zeit, sich den 3096 Tagen anzunähern, die Natascha in Gefangenschaft verbracht hat. In der sie den Gesetzen, der Erziehung, der Gewalt, der Lust und der Willkür ihres geistesgestörten Peinigers ausgesetzt war. Hormann erzählt chonologisch: Der Tag der Entführung, die erste Zeit im Verließ, Nataschas erste Periode, der erste gemeinsame Ausflug, die erste gemeinsame Nacht, der 18. Geburtstag. Dazwischen: Rückblenden, die Erinnerungen spiegeln, stilisiert inszenierte Tagträume, oder auch mal der Besuch der Mutter des Perversen oben in der Wohnung.
Der Film will nimmt seine Figuren ernst, will jedoch zugleich ein großes Publikum ansprechen und verliert sich dabei auch mal in ästhetisierten Zeitlupen und Soundcollagen. Psychologisch kann sich das Drama den Protagonisten nur ansatzweise annähern: Die Macken des Entführers werden nur angedeutet, Darsteller Thure Lindhart bewegt sich glaubwürdig gefährlich cholerisch und verloren zwischen Einsamkeit, Sehnsucht, Schöpferambition, Machtstreben und Ordnungswahn. Auf der anderen Seite Antonia Campbell-Hughes als Natascha, die sich ebenso überzeugend mit Phantasie, Rollenspiel und Trotz dem Martyrium entgegen stemmt oder an ihrer emotionalen Verwirrung verzweifelt. Der Blick in beiderlei Köpfe bleibt unterm Strich verwehrt, der Film ist kein Psychogramm. Das kann als Oberflächlichkeit ausgelegt werden – zugleich aber wird jedem Zuschauer, der sich dem Drama aussetzt, das Geschehene greifbarer. Greifbarer als so manche Medienberichterstattung. Und das verleiht am Ende so manchen auf Tatsachen beruhenden Spielfilmen die Daseinsberechtigung, solang sie, wie „3096 Tage“, die Tatsache nicht als Spektakel ausschlachten.
(Hartmut Ernst)
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24
Doppelter Einsatz für „Afrika“
Spendenaufruf des Afrika Film Festivals – Festival 05/24