39,90
Frankreich 2007, Laufzeit: 104 Min., FSK 16
Regie: Jan Kounen
Darsteller: Jean Dujardin, Patrick Mille, Vahina Giocante, Jocelyn Quivrin, Elisa Tovati, Nicolas Marie, Dominique Bettenfeld, Antoine Basler
Octave ist ein Ass in der Werbewelt. An die Spitze hat er es aber nur mit Arroganz und Zynismus geschafft. Als er sich in seine Kollegin Sophie verliebt, scheint sich sein Blick zu weiten.
Eigentlich müsste der Film nach dem Preis einer Kinokarte „7,50 Euro“ heißen. Im Original hieß Frédéric Beigbeders Roman nämlich „99 Francs“ und lieh sich den Titel vom Buchpreis des zukünftigen Bestsellers. Dies ist die erste und offensichtlichste der zahlreichen selbstreflexiven Momente und Metaebenen der großen Abrechnung mit der Werbeindustrie. Der Film als visuelles Medium kann sich da natürlich noch wilder austoben als ein Text. Die Herausforderung hat Jan Kounen, bekannt für seine bildgewaltigen und rahmensprengenden Werke – zuletzt die psychedelische Verfilmung des Westerncomics „Blueberry“ – gerne angenommen.
Octave ist ein zynisch-arrogantes Arschloch aus der Werbeindustrie. Der schmalzige Yuppie denkt die Welt nur als Oberfläche und Referenzsystem. Daraus bastelt er ungeachtet der Hintergründe seine Werbebotschaften. Ganz ohne Schnellmacherdrogen hält man das nicht aus. Vor allem dann, wenn von oben ein noch arroganterer und noch zynischerer Chef tritt. Als Octave seine Kollegin Sophie kennen und lieben lernt, scheint das ganze Drumherum an Wert zu verlieren und er sich zu normalisieren. Aber Sophies Offenbarung ihrer Schwangerschaft ist dann doch etwas zu viel Wirklichkeit für Octave. Denn Verantwortung kennt er höchstens in Form von einzuhaltenden Abgabeterminen. Er verlässt Sophie und stürzt zurück in sein bisheriges Leben, das sich von nun an noch schneller dreht: Noch mehr verrückte Werbeideen, noch mehr Parties, noch mehr Drogen – und schließlich der Zusammenbruch. Ist er jetzt noch zu retten?
So einfach lässt sich das nicht sagen. Jan Kounen hat immer noch einen Dreh in der Hinterhand. Sein Film ist insgesamt ein einziger Taschenspielertrick. Ständig wechselt er die Ebenen, zitiert sich ähnlich wie Werbeclips durch ein kulturelles Referenzsystem, lässt seinen Protagonisten daraufhin ebenso wie den Zuschauer wieder aus dieser einen Welt hinausplumpsen, um mal hart, mal samtweich in der nächsten zu landen: von der Kinderschokoladenidylle über Matrix-Action und Cartoon-Slapstick in Liebesfilme oder wahlweise surreale Drogenflashs. Schon bei „Blueberry“ war eines der Probleme seiner freien Adaption die wenig schöne Bildästhetik. Das ist teilweise bei „39,90“ ebenso der Fall. Nur dass sich der Eindruck fieser Filmästhetik – vor allem zu Beginn – relativiert, weil Kounen ja nur das zeigt, was er kritisiert. Das ist anstrengend, macht nicht immer Spaß, ist letztendlich aber ein schlüssiges Konzept für die Verfilmung der Buchvorlage. Auf dieser Ebene kann man dann auch das Ende ganz gut genießen.
(Christian Meyer)
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24