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Ajami
D/ISR 2009, Laufzeit: 120 Min., FSK 16
Regie: Yaron Shani, Scandar Copti
Darsteller: Shahir Kabaha, Ibrahim Frege, Fouad Habash, Youssef Sahwani, Ranin Karim, Eran Naim, Scandar Copti, Elias Sabah, Hilal Kabob

Scandar Copti und Yaron Shani, ein jüdischer und ein arabischer Regisseur, erzählen von den dramatischen Lebensumständen in Ajami, einem Vorort von Tel Aviv.

Der junge Moslem Omar (Shahir Kabaha) wohnt bei seiner Familie in Ajami, einem Vorort von Tel Aviv. Er hat sich in die Christin Hadir (Ranin Karim) verliebt. Als sich seine Verwandtschaft mit einem arabischen Clan anlegt, fließt Blut. Omars Vater und Großvater sind tot, der Onkel gelähmt – auf einmal ist der 19jährige Omar Familienoberhaupt und muss aus Angst vor Blutrache flüchten. Doch er will weder seine Heimatstadt noch seine heimliche Geliebte verlassen. Die einzige Chance, die ihm bleibt: Omar muss Schuldgeld auftreiben. Gemeinsam mit seinem Kumpel Malek (Ibrahim Frege), einem illegal eingereisten Palästinenser, der ebenfalls Geld braucht, um eine Operation für seine kranke Mutter zu bezahlen, wendet sich Omar an zwielichtige Drogenhändler. Während sich die verzweifelten Jugendlichen ins kriminelle Milieu vortasten, versucht Hadirs Vater, Omar mit allen Mitteln von seiner Tochter fernzuhalten. Der jüdische Polizist Dando (Eran Naim) erfährt derweil, dass sein Bruder verschwunden ist. Dando verdächtigt die Araber und schwört Rache.

Die beiden Regisseure Scandar Copti und Yaron Shani begeben sich in einen Schmelztiegel unterschiedlicher Religionen und Kulturen und lassen die benachbarten christlichen, jüdischen und muslimischen Israelis in einem spannenden Krimi-Melodram aufeinanderprallen. Getrieben von Verzweiflung, Wut und Rachsucht geraten verfeindete Familienbanden, kleinkriminelle Jugendliche, Drogendealer und korrupte Polizisten aneinander. In fünf zeitlich verschachtelten Akten nähern sich die Regisseure aus unterschiedlichen Blickwinkeln ihren Protagonisten. So ist nicht immer alles so, wie es zuerst scheint. Vor allem aber liefert dieses Drama exemplarische Eindrücke aus einer unvorstellbaren und erschreckend befremdlichen Realität, in der weder Vernunft noch Recht herrscht und selbst die Justiz von religiös fundierter Willkür dirigiert wird. Selbstjustiz, Anarchie und Unrecht ziehen dabei vor allem die Jugendlichen unausweichlich in die Kriminalität.

Tel Aviv wird mitunter als Sin City Israels bezeichnet. Ajami, der Vorort von Tel Aviv, ist leider ebenso wenig eine Comicfantasie wie die Hintergründe dieses Films. Copti und Shani erzählen lebensnah von alltäglichen Zuständen und vor allem von einer festgefahrenen, engstirnigen und gefährlich impulsiven Männergesellschaft, die der anderen, gegnerischen Kultur nur noch mit Rachsucht, Misstrauen und Gewalt begegnet. Mit seiner Struktur, der Dramaturgie und den Zeitsprüngen, aber einer realistischen, lebensnahen Inszenierung, die sogar ohne Musik auskommt, ist der Film eine Mischform aus Kriminalfilm und Zustandsbericht. „Ajami“ erwächst zu einer spannend verpackten Parabel, in der vor allem Kinder die Opfer sind. Nasrie, Omars kleiner Bruder, ist zu jung, um diese Welt zu verstehen und stellt aus dem Off Fragen, auf die er keine Antwort findet. Solche poetischen Momente verleihen dem Melodram zusätzlich Augenblicke trauriger Schönheit.

(Hartmut Ernst)

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