Alles Geld der Welt
USA 2017, Laufzeit: 135 Min., FSK 12
Regie: Ridley Scott
Darsteller: Michelle Williams, Christopher Plummer, Mark Wahlberg
>> tobis.de/film/alles-geld-der-welt
Historisches Entführungsdrama
The Great Getty
„Alles Geld der Welt“ von Ridley Scott
Der US-Amerikaner John Paul Getty (1892-1976) machte in den 1950er Jahren ein Vermögen im Ölhandel. Im Juli 1973 wird sein 16-jähriger Enkel entführt, der Milliardär aber verweigert die Lösegeldzahlungen. Erst als die Lage dramatisch eskaliert, bewegt sich Getty. Die Geschichte ging seinerzeit um die Welt, Ridley Scott inszeniert sie nun für die Leinwand. Im Vorfeld sorgte der Umstand für Wirbel, dass Kevin Spacey, der ursprünglich den alten Getty verkörperte, wegen der Belästigungsvorwürfe aus dem fertigen Film geschnitten wurde. Ridley Scott ersetzte ihn durch Christopher Plummer und ließ die Szenen wenige Wochen vor dem Filmstart kurzfristig nachdrehen. Das soll uns an dieser Stelle nicht interessieren. Bemerkenswert aber ist, dass der Nachdreh einen gewissen Aufwand verlangte, da sich Plummers Präsenz durchaus raumfüllend niederschlägt.
Ja, eigentlich ist der alte Getty sogar die interessanteste Figur dieses Entführungsthrillers. Vor allem im ersten Drittel legt Plummer eine Performance als kaltherziger Industrieller hin, dass es ein Genuss ist. Mit wundervollen Dialogen skizziert Scott pointiert das Denken eines gewissenlosen Machtmenschen. Er zeichnet Getty mal wie Gordon Gekko aus „Wall Street“, mal wie Michael Corleone aus „Der Pate“: ein Mann, der sich nur dann großzügig und hilfsbereit gibt, wenn es steuerlich absetzbar ist. Ein Vater und Großvater ohne Herz, dem Familie zugleich über alles geht. Nun ja, zumindest, solange sie sich profitabel ins Unternehmen einbinden lässt. Getty, ein Mann, dem man nicht nachsagen kann, er hätte keine Moral, denn er hat eine: seine. Und somit erscheinen uns seine Worte zynisch, ohne dass sie zynisch gemeint sind. Getty ist vermögend, einflussreich und selbstgerecht. Und er ist ein einsames, armes Würstchen, das Bilder mehr liebt als Menschen, denn nur auf tote Dinge ist Verlass. Der Charakter macht Spaß, die streitbare Figur ist anregend gezeichnet und aktuell: Diese Gettys sterben ja nicht aus. Schade bloß, dass das Drama diesen Charakter im weiteren Verlauf nur noch oberflächlich betrachtet – und dabei überhaupt den Fokus verliert. Pauls Mutter Gail (Michelle Williams) stellt als Gegenentwurf zu Getty noch eine mehr oder weniger konstante Rolle dar. Paul selbst kommentiert anfangs noch pointiert aus dem Off, aber das verfliegt ebenso wie das Interesse an der Figur. Und Getty stellt Gail noch seinen persönlichen Ermittler zur Seite, den ehemaligen CIA-Agenten Chase (Mark Wahlberg), der insgesamt am ehesten eine Wandlung durchlebt, aber Randfigur bleibt.
„Frei nach wahren Begebenheiten“ inszeniert Ridley Scott sein Drama erfahren stilsicher, und seine Darsteller überzeugen. Auch wenn der Film nach hinten abfällt und seine 135 Minuten nicht immer kurzweilig ausfallen, hallt das Drama spürbar nach, sowohl im Hinblick auf das Verbrechen (das im Übrigen noch äußerst dramatische Nachwirkungen auf den Enkelsohn nach sich zog), als auch im Hinblick auf diese Menschen da draußen mit nichts als Profit im Kopf.
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24