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Asche ist reines Weiß

Asche ist reines Weiß
China, Frankreich, Japan 2018, Laufzeit: 136 Min., FSK 12
Regie: Zhangke Jia
Darsteller: Zhao Tao, Fan Liao, Zheng Xu

Ein Sittenbild der chinesischen Gesellschaft

Rasender Wandel
Asche ist reines Weiß“ von Jia Zhang-Ke

Ein Party, irgendwo im Norden Chinas: Das Paar Qiao und Bin scheint hier jeder zu kennen. Sie tanzen mitten im Pulk zu trashigem Eurodance, sie haben Spaß. Plötzlich fällt Bin ein schwerer schwarzer Gegenstand aus der Tasche. Mitten auf der Tanzfläche liegt eine Pistole. Niemand außer Qiao bemerkt die Waffe, die er schnell wieder einsteckt. Doch Qiao ist sauer nach diesem Vorfall und blickt ihn böse an. Bin ist regionaler Chef des Jianghu-Clans, einer einflussreichen Mafia-Organisation. Die hübsche Qiao kommt aus einfachen Arbeiterverhältnissen und genießt das angenehme Leben an Bins Seite. Aber sie mag die gewalttätige Seite von Bins Leben nicht und möchte lieber eine Familie gründen. Tatsächlich wirkt der gar nicht so brutal agierende Clan in seinem Hauptquartier eher wie eine große Familie. Bin tritt dort, wenn nötig, auch als gerechter Schlichter auf. Doch dann drängen sich jüngere, aggressivere und brutalere Clans in das Revier. Es gibt einen ersten Toten und auch Bin wird bedrängt. In einer solchen Situation ist es dann Qiao, die die Waffe zieht, um Bin zu retten. Er überlebt, sie kommt ins Gefängnis. Nach fünf Jahren ist sie frei. Doch am Gefängnistor wartet niemand auf sie. Bin ist verschwunden und lebt nun angeblich weit weg am Drei-Schluchten-Damm im Süden des Landes. Qiao macht sich auf die Suche nach ihm.

Chinesische Filmemacher sind gern gesehene Gäste auf den großen Festivals in Europa. Gerade lief im Wettbewerb der Berlinale „So long, my Son“ von Wang Xiaoshuais und gewann dort gleich zwei silberne Bären für den besten Darsteller und die beste Darstellerin. Der Film erzählt in drei Stunden von zwei Familien und ihrer gemeinsamen tragischen Geschichte. Zugleich spiegelt der Film im Hintergrund die Geschichte Chinas seit den späten 70er Jahren. Zu schaffen ist das nicht nur durch die Spiellänge von 176 Minuten, sondern auch die elliptische Erzählweise. Das hat der Film mit einigen aktuellen Produktionen aus China gemeinsam – so auch mit Jia Zhang-Kes „Asche ist reines Weiß“. Zhang-Kes Film kommt zwar nur auf 136 Minuten, erzählt aber auch nur von den Veränderungen im Land seit Anfang des Jahrtausends. Doch auch in diesen nicht mal 20 Jahren sind die Umwälzungen enorm. Und auch Zhang-Ke kann das soziale Panorama, das er über die Entwicklung seiner beiden Protagonisten spiegelt, nur mit großen Auslassungen greifbar machen. Das gelingt ihm mit einer großen Souveränität, die man von seinen vergangenen Filmen kennt. Bereits 2006 hat er mit „Still Life“ in Cannes die Goldene Palme gewonnen. 2013 hat er mit seinem Episodenfilm „A Touch of Sin“ dort den Preis für das beste Drehbuch erhalten.

Mit seiner eleganten Regie führt Zhang-Ke den Zuschauer immer wieder an faszinierende Orte, die zugleich für die Figuren als auch für China repräsentativen Charakter haben. Und für den westlichen Zuschauer haben sie außerdem eine ganz mysteriöse Qualität: Da sind Tanzhallen, Hotelzimmer, Varieté-Veranstaltungen, Straßenkonzerte, Gefängnisse, Busse und Züge, die die Gesellschaft und ihren Wandel repräsentieren. Als das marode Gefängnis, in dem Qiao untergebracht ist, stillgelegt wird, müssen die Insassinnen in einer Buskolonne in das neue Gefängnis umquartiert werden. Am Straßenrand stehen Passanten, als würden sie einem Geisterzug hinterher blicken. Und tatsächlich führen die fünf Jahre Gefängnis in diesem sich rasant wandelnden Land dazu, dass Qiao eine Weile braucht, um wieder Anschluss an das inzwischen völlig neue Leben zu finden. Auch wenn sie inzwischen – genauso wie Bin – selbst eine ganz andere zu sein scheint. Alleine aus Termingründen hat Zhang-Ke erstmals nicht mit seinem Stamm-Kameramann Yu Lik-Wai zusammengearbeitet, sondern mit dem Franzosen Èric Gautier („Into the Wild“, „Motorcycle Diaries“). Doch auch der findet wundervolle Bilder für die karge, desolate Peripherie, die die erste Filmhälfte bestimmt. Und er fängt auch das unruhige, vom neuen Kapitalismus gekennzeichnete Leben im feucht-warmen Klima am Drei-Schluchten-Damm kongenial ein.

(Christian Meyer-Pröpstl)

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