Berberian Sound Studio
Großbritannien 2012, Laufzeit: 92 Min., FSK 12
Regie: Peter Strickland
Darsteller: Toby Jones, Tonia Sotiropoulou, Cosimo Fusco
Junges Gemüse
Matt513 (266), 26.06.2013
Zunächst möchte ich mich für tatifans Beitrag bedanken, ohne den dieser Film glatt an mir vorbeigerauscht wäre (wie sinnig - ein Film über Soundeffekte rauscht vorbei). War die ganze Woche gespannt drauf und bin nicht enttäuscht worden. Das große Bambi dann ganz allein für mich - hach! Schön :D.
Die Begegnung mit dem Splatterkino der Giallo-Ära ist für den im Naturfilm beheimateten Gilderoy ein Alptraum ohne Wiederkehr. Schon die Rückerstattung der Reisekosten entwickelt sich zur aufreibenden Odyssee. Das Tonstudio wird sein Verließ, ähnlich wie jene in den Horrorfilmchen, die hier zur Nachvertonung landen, in welchen bevorzugt junge Frauen verhackstückt werden. Wer die Briten kennt, weiß wie sehr sie sich vor peinlichen Situationen fürchten und deshalb oft nicht das sagen, was sie wirklich denken. In dieser defensiven Haltung beschert ihm die Liederlichkeit und die beleidigende Borniertheit der übrigen Studioinsassen eine kalte Gefühlsdusche nach der anderen. Der Produzent besitzt die Contenance eines Türstehers. Der Regisseur verbittet sich den Begriff Horrorfilm für sein Werk. Er redet von Kunst und Authenzität, wo er doch nur den Kick von Sex und Gewalt fürs Auge meint. Die meisten Regisseure jener Epoche dürften ähnlich getickt haben; das trifft der Film schon sehr gut. Daß der Produzent die Sprecherinnen nach Körpermaßen castet, dito.
Gilderoy bemüht sich nach Kräften, seinen Job zu machen. Er spürt ultimativen Klangeffekten nach und traktiert frisches Grünzeug mit dem Messer. Dies und was er rundherum im Studio und auf der Leinwand miterleben muß, gibt ihm den Rest. Sein Widerstand gegen dieses Trommelfeuer extremster Eindrücke bröckelt. Sind die Dinge, wie sie sind oder schon übernatürlich, so wie im Horrorfilm? Die Grenze schwindet, die Umgebung, in der er gestrandet ist, greift nach Gilderoy und wird gleichsam von ihm absorbiert.
Das ist nun ein sehr impressionistischer Film, der -abseits der sparsamen Handlung- aus Film-, Farb- und Tonfragmenten komponiert ist, aus denen sich im Kopf ein subjektives Gesamtbild formt. Dieser collagenhafte Stil ist gut gewählt, denn Phantasie ist gefragt; vom Horror auf der Leinwand z.B. kriegen wir keine Sekunde zu sehen, aber volle Lotte aufs Ohr. Den Albdruck des Toningenieurs erlebt der Zuschauer so auf vielfältige Weise – das Rattern der analogen Aufnahmetechnik, das Sirren der Tongeneratoren, das Zerhacken unschuldiger Melonen, das Faulen des geschundenen Gemüses im Mülleimer, die Spinne als universaler Bote des Unheils, die extatische Weitung der Augen der Sprecherin beim Schreckensschrei und das alles in Nahaufnahme. Nicht alles erscheint stringent, auch ein anderer Schluß wäre möglich gewesen, aber bis dahin ist man schon längst auf seine Kosten gekommen.
Denken wir an die analogen Geräuschorgien des Horrorkinos, konnten wir doch nicht anders als zu glauben, daß da wirklich junges knackiges Gemüse ;) zerkleinert wurde. Jetzt aber wissen wir, daß stattdessen junges vitaminreiches Gemüse dran glauben mußte. Ich bin unbedingt froh, diesen Film erlebt zu haben, kann mir aber vorstellen, daß den nicht jeder mögen wird. Um ehrlich zu sein, ob ich ihn 'mag', kann ich nicht sagen; er war einfach spannend, anders und genau das, wofür Programmkino da ist – eine Alternative zum konventionellen Kinoerlebnis.
PS: Und ach ja – reichlich wunderschöne Frauen sind zu sehen, von denen –welch Glück- keine verhackstückt wird :).
kann man sich schenken ...
tatifan (29), 15.06.2013
die rezensionen und der trailer lassen hoffen ... aber: irgendwann gibt man das rennen durch die handlungsebenen und angedeuteten handlungsstränge auf ... es ist weder schön, noch wichtig, noch gut gemacht ...
schade
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24