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Black Book
Niederlande, Deutschland, Großbritannien 2006, Laufzeit: 145 Min., FSK 16
Regie: Paul Verhoeven
Darsteller: Carice van Houten, Sebastian Koch, Thom Hoffman, Halina Reijn, Waldemar Kobus, Derek de Lint, Christian Berkel, Dolf De Vries, Peter Blok, Michiel Huisman, Ronald Armbrust, Frank Lammers, Matthias Schoenaerts, Johnny de Mol

Seit über 20 Jahren entwirft der niederländische Erfolgsregisseur Paul Verhoeven in Hollywood zynische Utopien und erotische Thriller. Mit dem Flop "Hollow Man" wurde es ruhig um ihn. Jetzt, sieben Jahre später, kehrt er zurück in seine Heimat und inszeniert ein spannendes Zweiter-Weltkriegs-Abenteuer. Mitreißender Nazi-Thriller Der Mann ist Doktor der Mathematik und Physik, sein oscarnominierter, skandalträchtiger Spielfilm "Türkische Früchte" von 1973 wurde 1999 zum besten niederländischen Film des Jahrhunderts ausgezeichnet, Hollywoods Leinwände schockierte er blutrünstig und mit freizügigen Sexszenen. Paul Verhoevens faschistisch geprägte Zukunftsentwürfe ("Robocop", Starship Troopers") wurden wohl vor allem aufgrund ihrer Genrezuordnung missverstanden. Über das Gestern wieder in Europa angekommen Wenn Verhoeven Faschismus inszenierte, dann mit aller Wucht und einer Konsequenz, die nur der Ironie entspringen konnte. Mündeten die Utopien zu seiner zweiten Heimat USA in augenzwinkernder Actionware, so entbehrt nun mit "Black Book" sein Blick auf die Unterwerfung der eigenen Heimat durch den deutschen Faschismus jeglichem Zynismus. Verhoeven hat die Besatzungszeit als Kind miterlebt. Mit holländischen Nazi-Kollaborateuren hatte er sich bereits in einem frühen Dokumentarfilm fürs Fernsehen auseinandergesetzt. So kehrt der Regisseur in mehrfacher Hinsicht zu seinen Wurzeln zurück. Verhoeven widmet sich der Vergangenheit und ist über das Gestern wieder in Europa angekommen. Bereits vor 20 Jahren entstand die Idee zu diesem Film. Erst in der Endphase tauschten Verhoeven und sein Drehbuchautor Gerard Soetemann die männliche Hauptrolle gegen eine weibliche aus: Die wundervolle Carice van Houten mimt nun die jüdische Sängerin Rachel Stein, die Zeuge wird, wie ihre Familie hintergangen, ausgeraubt und von den Nazis getötet wird. Entwurzelt schließt sie sich dem niederländischen Widerstand an. Als attraktiver Spitzel umgarnt sie den SS-Offizier Müntze (Sebastian Koch, "Das Leben der Anderen"). Während sich der Krieg dem Ende nährt, liefern sich Nazischergen und Partisanen verbitterte Kämpfe, bei denen gemäßigte Nazis ebenso wenig zu durchschauen sind wie holländische Kollaborateure. Bald weiß Rachel nicht mehr, wem sie vertrauen kann. Spannung im Geiste der Zweiter-Weltkriegs-Abenteuer der 60er Jahre Trotz Zynismus-Verzicht ist natürlich aus dem ewigen großen Jungen Verhoeven kein Dramen-Regisseur geworden: Das Abenteuer steht auch in diesem Thriller im Vordergrund, mit Erotik wird nicht gegeizt und gestorben wird wie eh und je, wenn auch weniger blutrünstig. Nachdem sich das Kino in den letzten Dekaden eher melodramatisch mit dem Thema Nationalsozialismus auseinander gesetzt hat, belebt Verhoeven einen Genrezweig wieder, in dem bei aller Dramatik und historischem Hintergrund Spannung und Abenteuer dominieren: Der 68jährige Regisseur strickt einen mitreißenden Film im Geiste der Zweiter-Weltkriegs-Abenteuer der 60er Jahre Der Humor mag in "Black Book" kürzer kommen, dafür sind aber die Protagonisten dankenswerterweise weniger eindimensional, was vor allem der Charakterisierung der Nazis zugute kommt. Verhoevens Schergen sammeln mit kindlicher Begeisterung Briefmarken oder betätigen sich auch mal musisch, wenn sie nicht gerade foltern und töten. Allen voran sucht dabei Sebastian Koch als Müntze den Menschen im Nazi. Auf der anderen Seite sind auch die Widerstandskämpfer von Egoisten oder gar Antisemiten unterwandert, und wem es nützt, der kollaboriert auch mit dem Feind. Gut und Böse verschwimmen also in diesem Thriller um Verrat, Flucht und Rache, in dem Anne Dudleys Streicherwogen, die der Feder Bernard Hermans entsprungen sein könnten, die Handlung nimmermüde voran treiben. Natürlich hatte Verhoeven noch die einen oder anderen Hollywoodelemente mit im Gepäck. Da darf auch mal gelegentlich die Logik schwächeln, aber die spielt hier sowieso eine untergeordnete Rolle. Ebenso die Tatsache, dass ein Großteil der Charaktere auf realen Vorbildern beruht, was hier vielmehr angenehm wenig zur Sache tut.

(Hartmut Ernst)

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