Boxhagener Platz
D 2009, Laufzeit: 102 Min., FSK 6
Regie: Matti Geschonneck
Darsteller: Samuel Schneider, Gudrun Ritter, Michael Gwisdek, Horst Krause, Jürgen Vogel, Meret Becker, Ingeborg Westphal, Milan Peschel, Claudia Geisler
Das Leben am Boxhagener Platz ist 1968 relativ unberührt von den Umwälzungen in der Welt zwischen Vietnam-Protest und Prager Frühling. Dann geschieht ein Mord. Der Boxhagener Platz ist eine ganz typische Ecke mitten in Ostberlin. Hier kennt jeder jeden, und das Leben spielt sich zum großen Teil auf der Straße und in der Eckkneipe ab. Der raue Ton der Arbeiterklasse ist nicht ohne Charme. Vor allem Oma Otti (Gudrun Ritter) ist recht grobschlächtig. Die alte Dame hat schon fünf Ehemänner überlebt, und der sechste liegt auch schon sterbenskrank in seinem Bett. Er ist einer der Saufkumpanen aus der Kneipe, zu denen auch Karl, der Altkommunist und ehemalige Kämpfer des Spartakusbund, gehörte, bevor der sich vornahm, abstinent zu werden und Oma Otti den Hof zu machen. Und auch der Altnazi Winkler, ebenfalls an Oma Otti interessiert, gehörte zu dem bunten Haufen. Doch der liegt eines Morgens tot in seinem Ladenlokal. Nun taucht die Staatsmacht auf, um das Verbrechen aufzuklären. Der hiesige Polizist Klaus-Dieter (Jürgen Vogel) wittert seine große Chance. Doch sein Sohn Holger ist den wirklichen Hintergründen viel eher auf der Spur. Holger, der Enkel von Oma Otti, freundet sich mit Karl an und erfährt über ihn einiges über den Spartakusbund, Altnazis, die Kommunen der Studenten in West-Berlin und die Parteibonzen der DDR. Doch Karls Geschichten sind gefährliches Wissen in einem Staat voller Spitzel. Hinter den naiven Bemühungen von Holgers Vater, den Mordfall aufzuklären, formiert sich bereits die Stasi, um den Mordfall für groß angelegte Spitzelaktionen zu nutzen. Dunkle Wolken breiten sich zunehmend über dem Himmel des Boxhagener Platzes aus. "Boxhagener Platz" entwickelt ein komplexes Beziehungsgeflecht, in dessen Zentrum der zwölfjährige Holger steht. Diese Perspektive und die Mischung aus dem derben Humor der Berliner Originale und einem detailverliebten Setting machen den Charme dieses Sittengemäldes aus. Was zunächst gefährlich wie eine weitere eskapistische Ostalgie-Komödie wirkt, entfaltet nach und nach Tiefe. Die Darsteller - Jürgen Vogel in einer außergewöhnlichen Rolle als Holgers Vater, Meret Becker als Holgers Mutter, der 14jährige Samuel Schneider als Holger und allen voran Gudrun Ritter als resolute Oma Otti füllen das komplexe dramaturgische Gerüst mit ihrer Leistung. Mit "Das Leben der Anderen" lieferte von Florian Henckel von Donnersmark vor vier Jahren einen sehr fokussierten und auf starke Kontraste ausgerichteten Blick auf das Leben der DDR. Dem lebensfrohen Künstlermenschen steht bei ihm der einsame Bürokrat gegenüber. Auf Matti Geschonnecks "Boxhagener Platz" findet man hingegen eine große Anzahl unterschiedlicher Typen. "Boxhagener Platz" liefert einen repräsentativen Querschnitt durch das Leben in der DDR. Das gilt auch für die emotionale Stimmung des Films: Von komödiantischen Elementen bis zu bitterem Realismus, von poetischen Ansichten bis zu alltäglichen Problemen. Diese Reichhaltigkeit macht den "Boxhagener Platz" zu einem berührenden und zugleich betrübenden Blick in eine vergangene Zeit.
(Christian Meyer)
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