Das Haus auf Korsika
B 2011, Laufzeit: 82 Min., FSK 6
Regie: Pierre Duculot
Darsteller: Christelle Cornil, François Vincentelli, Jean-Jacques Rausin, Pierre Nisse, Roberto D'Orazio, Marijke Pinoy, Cédric Eeckhout
>> www.dashausaufkorsika.de/
Aussteigerdrama
Was hält uns hier?
„Das Haus auf Korsika“ von Pierre Duculot
Die belgische Arbeiterstadt Charleroi: Gemeinsam mit ihrem Freund hat sich Christina (Christelle Cornil) mit einer heimeligen Existenz arrangiert, beide wohnen in derselben Wohnung, beide arbeiten in derselben Pizzeria. Ein geordnetes Leben, angepasst, lustlos. Bis eines Tages Christinas Großmutter stirbt und ihrer Enkelin ein Haus auf Korsika vermacht. Freund und Familie raten zum Verkauf, Christina aber will vorher einen Blick auf das alte Gemäuer werfen. Sie reist auf die Insel im Mittelmeer und landet in einem verschlafenen Nest, in dem sie Bekanntschaften mit Ziegen, Wildschweinen und Einheimischen macht, allen voran einem attraktiven Ziegenhirten. Das Haus indes wirkt weniger einladend, ist renovierbedürftig. Doch die Menschen und die Idylle verzaubern den Neuankömmling und verleiten Christine dazu, ihr Leben neu zu überdenken. Zurück in Charleroi stellt sich ihr die Frage: Was hält uns hier?
Und sie hat Recht: Auch der Zuschauer dürfte sich in diesem kleinen Aussteigerdrama vom Fernweh der Protagonistin anstecken lassen. Das funktioniert in diesem Fall besonders gut, weil Regisseur Pierre Duculot die Ferne, das Fremde und Neue nüchtern ausstellt, fern jedes Exotismus‘, fern von Kitsch und Farbfilter. Alles an diesem Film scheint geerdet. Sympathisch verschroben ist der Blick auf das ländliche Korsika und seine Einwohner, die bescheiden ihren Traum von Freiheit und Ungebundenheit leben. Christine ist die Wohlstands-Städterin, in der noch ein Rest Sehnsucht schlummert, das Erbe der Großmutter ist der notwendige Impuls, ihre Sehnsucht anzustoßen. Hauptdarstellerin Christelle Cornil („Die Kinder von Paris“) verleiht ihrer Figur sympathische Schlichtheit, eine Figur, die angepasst scheint, es aber nicht ist, in der Kräfte brodeln, die ihre Nächsten nicht vermutet haben. Die sich von der zivilisierten Tristesse emanzipiert und sich im neuen Umfeld mit Hartnäckigkeit und Selbstbewusstsein Respekt erarbeitet – sowohl bei ihren Angehörigen als auch in der schrulligen Gemeinde. Und die einfach hinreißend ist als Macherin auf dem Mofa.
Träume, innere Stärke, Mut und Kampfeslust, die am Ende andere mitreißen werden. Duculot jongliert mit alltäglichen Sehnsüchten und Rückschlägen, die Inszenierung ist unspektakulär, zurückgenommen, das Tempo ausgebremst. Als Schauwert genügen ihm seine Figuren und die Naturaufnahmen von der Insel, die überwältigend sind. Der Regisseur zeigt, dass man manchmal Dinge einfach hinter sich lassen muss, um das kleine Glück zu finden, dass man an sich selbst denken darf, ohne automatisch Egoist zu sein. Dass der Ausstieg aus dem Wohlstand Aufstieg sein kann, und dass Gemäuer mit Fenstern und Türen mehr sein können als bloße Immobilie. Ein liebenswert inszeniertes Aussteigerabenteuer – und ein berührendes Familiendrama. Denn mit dem Ausstieg aus der Heimat und der Distanz zur Familie nähert sich die Heldin zugleich ihren Wurzeln.
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