Der Knochenmann
Österreich/Deutschland 2008, Laufzeit: 120 Min., FSK 16
Regie: Wolfgang Murnberger
Darsteller: Josef Hader, Josef Bierbichler, Birgit Minichmayr, Christoph Luser, Simon Schwarz, Dorka Gryllus, Pia Hierzegger, Stipe Erceg, Ivan Shvedoff, Edita Malovcic, Gerti Drassl
Der Ex-Polizist und Ex-Detektiv Simon Brenner arbeitet nur noch als Schuldeneintreiber. Als er dafür aufs Land fahren muss, steckt er doch wieder mitten in einem Mordfall.
Nach „Komm, süßer Tod“ und „Silentium“ steckt der österreichische Privatdetektiv Brenner wieder unversehens in einem äußerst morbiden Fall: Der gescheiterte Polizist und tragische Detektiv arbeitet inzwischen für seinen Freund Berti als Schuldeneintreiber. Wenn die Raten für Leasingautos ausbleiben, muss er die Wagen zurückholen. Auch wenn vor ihm tränenüberströmt eine alleinerziehende Mutter mit Kind steht. Zur Not fährt er sie schnell noch zum Kindergarten, bevor er den Wagen mitnimmt. Als er einen zahlungssäumigen Kunden auf dem Land aufspüren soll, ist der unter merkwürdigen Umständen verschwunden.
Auch bei der dritten Verfilmung eines Kriminalfalls von Simon Brenner nach einem Roman von Wolf Haas bleibt das Personal unverändert: Regisseur ist wieder Wolfgang Murnberger, der Darsteller von Brenner ist wieder der Kabarettist Josef Hader, und sein Freund Berti wird von Simon Schwarz gespielt. Das Drehbuch stammt von Hader, Murnberger und Haas. Auch an Kamera (Peter von Haller) und Schnitt (Evi Romen) wurde nichts geändert. Und wie immer stammt die Musik von den Wiener Elektronikern Sofa Surfers. Dont change a running system! In diesem Fall ist das sicherlich das richtige Credo. Der staubtrockene, tiefschwarze Humor der Österreicher kommt wieder voll zur Entfaltung. Brenners Mischung aus Abgebrühtheit und Melancholie trifft auf eine äußerst morbide Geschichte. Als Gegenüber ist Hader ein bestens aufgelegter Josef Bierbichler als Wirt Löschenkohl der ideale Stichwortlieferant. Manchmal auch andersherum. Die Rededuelle zwischen Hader und Bierbichler sind eine wahre Freude an Wortwitz. Nicht nur das erinnert an den legendären österreichischen Kommissar Adolf Kottan, der in „Kottan ermittelt“ von 1976 bis 1983 das Fernsehen mit seiner Mischung aus Sarkasmus, Selbstreflexion und surrealen Eskapaden herausforderte, bis die Serie nach massiven Beschwerden abgesetzt wurde. Einen Kinofilm gab es Anfang der 80er Jahre noch. Das erklärt vielleicht auch, warum die ähnlich radikalen Brenner-Krimis nicht wie der klassische Tatort im Fernsehen landen, sondern im Kino – und das auch noch äußerst erfolgreich. Ein weiterer Grund dürfte der nicht gerade zimperliche Umgang mit Bildern der Gewalt sein. Da hat man mitunter das Gefühl, hier wird fleißig „The Texas Chainsaw Massacre“ zitiert, wenn auch der stets präsente Humoreinschlag die jeweiligen Szenen abfedert und „Der Knochenmann“ insgesamt natürlich alles andere als ein Splatterfilm ist. Tief durchatmen muss man dennoch, bevor einen der nächste Witz dann nicht nur im Hals stecken bleibt, sondern tatsächlich zum hörbaren Lachen animiert.
Gespräch zum Film "Der Knochenmann"
Wolfgang Murnberger, geboren 1960 in Wien, studierte Regie, Drehbuch und Schnitt an der Wiener Filmakademie. Bereits mit seinem Abschlussfilm „Himmel und Hölle“ feierte er 1991 Erfolge auf Festivals und im Kino. Es folgten zahlreiche Kino- und Fernsehfilme, „Der Knochenmann“ ist seine dritte Verfilmung eines Brenner-Romans von Wolf Haas.
choices: Herr Murnberger, die Brenner-Filme könnte man mit ambitionierteren Tatort-Folgen vergleichen. Worin liegt der Unterschied und speziell das Argument dafür, die Brenner-Verfilmungen nicht nur für das Fernsehen, sondern das Kino zu produzieren?
Wolfgang Murnberger: Ein gutes Indiz für mich ist, dass das Fernsehen in Österreich so etwas um 20.15 Uhr nicht sendet. Ich bin explizit in der Darstellung von Gewalt, vom Sterben, von der Sexualität – eigentlich von allem. Man kriegt fürs Kino außerdem ein etwas größeres Budget zusammen. Bestimmte Szenen meiner Filme müsste man in ein Drehbuch fürs Fernsehen gar nicht reinschreiben, weil es eh nicht finanzierbar wäre.
choices: Kann man sagen, dass eine TV-Serie wie Peter Patzaks „Kottan ermittelt“ ein großer Einfluss für die Brenner-Reihe ist?
Wolfgang Murnberger: Mir gefallen eigentlich nur die frühen Folgen gut, später wurden die immer blöder, das ist schnell gealtert. Witzigerweise hat Peter Patzak Wolf Haas vorgeschlagen, aus dem Brenner eine Fernsehserie zu machen. Der hat das aber abgelehnt, weil er es lieber im Kino sehen wollte.
choices: Die Story der Verfilmung von „Der Knochenmann“ weicht stark von der Romanvorlage ab. Was waren die Hintergründe für die starken Eingriffe?
Wolfgang Murnberger: Ich habe immer gedacht, dass man das nicht verfilmen kann, weil die Qualität der Romane im inneren Monolog vom Brenner liegt und der Kriminalfall nur das Gerüst ist. Im Kino braucht man aber einen stärkeren Plot. Ich wollte dann, dass Haas ein Original-Drehbuch für einen Brenner-Film schreibt. Der hat aber gesagt, dass doch schon so viel Material da ist. Er hat mir dann zugesichert, dass ich mit dem Stoff machen kann, was ich will.
choices: Wieso wurden die Verfilmungen nicht chronologisch angegangen?
Wolfgang Murnberger: Wir wussten ja nicht, dass es mehrere Filme werden, und „Komm, süßer Tod“ erschien mir wegen des gelungenen Showdowns zunächst am naheliegendsten. Als der Film dann sehr erfolgreich war, wollten wir etwas anderes machen. Nach einer Kriminalkomödie wollten wir mit „Silentium“ eine bedrohlichere Thriller-Komödie machen. Beim „Knochenmann“ wollten wir den Brenner schließlich nach den Fällen in Wien und Salzburg aufs Land schicken, weil das neue Möglichkeiten bot. Da haben wir uns am weitesten vom Roman entfernt, weil der sehr unfilmisch ist. Wir haben uns dann entschieden, die Charaktere zu vertiefen und eine Liebesgeschichte für den Brenner einzubauen.
choices: Woher kommt dieser für österreichische Filme wie „Immer nie am Meer“ oder die Brenner-Reihe so typische schwarzer Humor?
Wolfgang Murnberger: Ich weiß nicht, woher das kommt, aber ich liebe diesen schwarzen Humor wahnsinnig. In der Jugend hat mir schon Monty Python gefallen und später die Coen-Brüder. Gefällig sein mag ich nicht. Reine Genrefilme haben mich zum Beispiel nie interessiert, aber in so einen Film wie „Der Knochenmann“ Horrorelemente zu integrieren – das ist schon sehr reizvoll. In Österreich wurde „Der Knochenmann“ auch als ein Anti-Heimatfilm bezeichnet.
(Kritik und Interview: Christian Meyer)
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