Der Kolibri – Chronik einer Liebe
Italien, Frankreich 2022, Laufzeit: 132 Min., FSK 12
Regie: Francesca Archibugi
Darsteller: Pierfrancesco Favino, Kasia Smutniak, Bérénice Bejo
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Intelligent und experimentierfreudig
Die Kunst, das Leben zu leben
„Der Kolibri – Chronik einer Liebe“ von Francesca Archibugi
„Weißt Du, dass die Azteken glaubten, dass sie sich in Kolibris verwandeln, wenn sie als Helden sterben?“, fragt Luisa (Bérénice Bejo) einmal Marco (Pierfrancesco Favino), den sie als Jugendliche in den 1970er Jahren kennengelernt hatte und für den sie immer noch die Liebe seines Lebens ist. Obwohl Marco, mittlerweile Arzt und unglücklich verheiratet mit der Stewardess Marina (Kasia Smutniak), die Verbindung nie hat abreißen lassen, ist er seiner Frau nie untreu geworden. Ganz im Gegensatz zu Marina, die kein Abenteuer ausgelassen hat und wegen ihrer labilen Psyche bei Daniele Carradori (Nanni Moretti) in therapeutischer Behandlung ist. Das ist die gegenwärtige Gemengelage, die die 1960 geborene italienische Drehbuchautorin und Regisseurin Francesca Archibugi nun dazu benutzt, um mit intelligent-verwirrenden Zeitsprüngen und Schauplatzwechseln ein Epos zwischen menschlicher Tiefe und skurriler Komik vor dem Zuschauer auszubreiten. Sie bleibt dabei dicht an der stilistisch experimentierfreudigen, gleichnamigen literarischen Vorlage von Sandro Veronesi über ein Leben voller ungewöhnlicher Schicksalsschläge.
Die Stigmatisierung als „Kolibri“ begleitet Marco schon seit Kindheitsjahren, in denen er so klein war, dass ihn sein Vater zu einer Hormonkur schickte, in der Marco um 16 Zentimeter wuchs. Ansonsten geht es ziemlich lieblos zu im Hause der Carreras, besonders zwischen seinen Eltern. Was besonders seine ältere Schwester Irene zu belasten scheint, die sich im Familienurlaub ziemlich unvermittelt in jener Nacht ertränkt, als Marco und Luisa sich am Strand ihre Liebe gestehen. Warum Irenes anderer Bruder Giacomo den Selbstmord nicht verhindert hat, bleibt genau so rätselhaft wie die sich nie erfüllende Liebe zwischen Marco und Luisa. Auch die Schicksalsschläge, die fortan Marcos Leben durchziehen, tragen alle ein Geheimnis in sich: Als er bei einer Reise seinen kurz vor Abflug durchdrehenden Freund vergeblich zu beruhigen versucht und sie deshalb das Flugzeug verlassen müssen, rettet ihm das das Leben. Denn die Maschine stürzt ab. Als er erfährt, dass die slowenische Stewardess Marina ebenfalls den Flug verpasst hat, weil sie ihrer Schwester Knochenmark gespendet hat, sieht er das als Wink des Schicksals und heiratet Marina. Doch der schwesterliche Liebesdient stellt sich als Hirngespinst heraus. Und Marinas und Marcos Tochter entwickelt schon als Kind Verhaltensauffälligkeiten, stirbt als junge Frau bei einer Klettertour, die auch ein wenig wie Selbstmord aussieht. Ihren Eltern hinterlässt sie ein dunkelhäutiges Kind, das Marco anstelle des unsichtbar bleibenden Vaters liebevoll aufzieht.
Archibugis einfühlsame Inszenierung lebt vor allem von ihrer Stilsicherheit, die Kamera-Altmeister Luca Bigazzi (u.a. „La Grande Bellezza“, „Ewige Jugend“) in perfekt ausgeleuchtete, pointiert kadrierte Bilder zu „gießen“ versteht – und vom facettenreichen, zurückhaltenden Spiel Pierfrancesco Favinos, der seinen Mitspielern Raum lässt, ihre oft nur knapp angerissenen Charaktere empathisch auszufüllen. So ergibt sich ein spannendes, manchmal auch absurdes Mosaik aus Tragik, Rätseln, Zufällen, Liebe und Trauer, das einen nachhaltig berührt.
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