Der schöne Sommer
Italien 2023, Laufzeit: 111 Min., FSK 16
Regie: Laura Luchetti
Darsteller: Yile Yara Vianello, Deva Cassel, Nicolas Maupas
Stilvolle queere Liebesgeschichte
Die Ungezügelte
„Der schöne Sommer” von Laura Luchetti
Bereits in der ersten Szene, in der Amelia (Deva Cassel) auf der Leinwand zu sehen ist, wird klar, dass die hübsche junge Frau anders ist. An Bord eines Ruderbootes kommt sie über den See, entkleidet sich bis auf die Unterwäsche und springt ins Wasser, um ans Ufer zu schwimmen, wo eine Freundesclique bereits das Lager aufgeschlagen hat. Als schamlos wird das 1938 von den meisten von ihnen empfunden, nur Ginia (Yile Yara Vianello) ist auf den ersten Blick von der Ungezügeltheit Amelias fasziniert. Als sie ihr später in Turin wieder begegnet und erfährt, dass Amelia ihren Lebensunterhalt mit dem Modellstehen für Maler (auch nackt) verdient, ist die Schneiderin aus armen Verhältnissen nur noch faszinierter. Im Modeatelier von Signora Gemma (Anna Bellato), in dem Ginia arbeitet, läuft es derzeit sehr gut, denn die Chefin erkennt, dass Potenzial in ihrer Angestellten liegt und sie beginnt, ihr verantwortungsvollere Aufgaben zu übertragen. Durch ihre Freundschaft mit Amelia lernt Ginia allerdings eine ihr bislang völlig unbekannte Welt kennen, denn unter den Künstlern gibt es keinerlei Scham. Ginia erliegt den Versuchungen von Tabak, Alkohol und Sex und wird unzuverlässig.
Mit „Der schöne Sommer“ hat Laura Luchetti (Fernsehserie „Nudes: Online bloßgestellt“) den gleichnamigen Roman von Cesare Pavese (1908-1950) frei für die Leinwand adaptiert. Die im Turin des Jahres 1938 angesiedelte Geschichte wurde mit großem Detailreichtum rekonstruiert und überzeugend im Film nachgestellt. Gleichwohl muss man aus einem Abstand von mehr als achtzig Jahren seit Erscheinen des Romans konstatieren, dass einige der Vorkommnisse mittlerweile veraltet sind oder heute nicht mehr in dieser Form erzählt würden. Amelia wird als eine Art lesbische Verführerin gezeichnet, die das gut strukturierte Leben Ginias, die sich gerade berufliche Anerkennung erarbeitet hatte, aus den Fugen reißt und ins Chaos stürzt. Obwohl die Faszination des Autors für die anti-bürgerliche Welt der Studenten-Bohème auch im Film spürbar bleibt, wird bei den Schilderungen doch deutlich die Moralkeule geschwungen. Auch die gesellschaftlichen Unterschiede dürften im Laufe der Jahrzehnte an Bedeutung verloren haben, aber dadurch, dass Laura Luchetti die Geschehnisse in den späten 1930er Jahren verortet lässt, behalten sie ihre Relevanz. Aus heutiger Sicht dürfte für die meisten ZuschauerInnen freilich der lesbische Aspekt an „Der schöne Sommer“ am spannendsten sein, der sich jedoch über weite Strecken erst einmal auf zaghafte Andeutungen beschränkt. Beide zentrale Frauenfiguren werden zunächst in Affären mit Männern gezeigt, bis sie sich schließlich doch näherzukommen, um ganz ohne Abstriche gemeinsam auf einer Wellenlänge zu schwingen. Laura Luchettis Film kann in seiner Rekonstruktion einer vergangenen Ära überzeugen, in der auch in Italien der aufkommende Faschismus als unheilvoller Schatten über den Ereignissen schwebt und die gerade gewonnenen Freiheiten erstmal wieder einschränken wird.
(Frank Brenner)
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