Der Vorleser
USA/Deutschland 2008, Laufzeit: 122 Min., FSK 12
Regie: Stephen Daldry
Darsteller: David Kross, Kate Winslet, Volker Bruch, Ralph Fiennes, Bruno Ganz, Hannah Herzsprung, Karoline Herfurth, Linda Bassett, Burghart Klaußner, Fabian Busch
1958 verliebt sich der gerade mal 15jährige Michael in die wesentlich ältere Hanna Schmitz. Sie verbringen einen unbeschwerten Sommer der Liebe, in dem Michael Hanna auch regelmäßig aus Büchern vorliest. Zehn Jahre später kommt es zu einer tragischen zweiten Begegnung.
Nur wenigen deutschen Romanen ist ein ähnlich bahnbrechender Erfolg zuteil geworden wie Bernhard Schlinks erstmals 1995 erschienenem, semi-autobiografischem „Der Vorleser“. Das Buch hielt sich monatelang in der deutschen Bestsellerliste, wurde in über 40 Sprachen übersetzt und schaffte es als erster deutscher Roman auf den Spitzenplatz der Bestsellerliste der New York Times. Da war es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis das Werk auch für die Leinwand adaptiert wurde. Schließlich ist das dünne Bändchen eine hochemotionale Angelegenheit, in dem ein Gutteil der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts aufgearbeitet wird und das demnach auch auf internationaler Bühne nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Im zweiten Teil der Geschichte erfährt Michael Berg, dass die Frau, die seine erste große Liebe war, während des Zweiten Weltkriegs in der SS für unfassbare Verbrechen verantwortlich war. Als Jurastudent wird er Zeuge des Prozesses, der gegen sie und einige weitere SS-Frauen angestrengt wird.
Aufgrund der Zweigeteiltheit des Buches ergibt sich auch in Stephen Daldrys („The Hours“) Filmadaption eine Zäsur zur Halbzeit, wenn die Handlung einen Sprung von knapp zehn Jahren macht und aus der bitter-süßen Liebesgeschichte eines Teenagers zu einer reiferen Frau ein Gerichts- und Vergangenheitsdrama erwächst. Daldry gelingt es, in jedem dieser Kapitel den richtigen Ton anzuschlagen. Die Romanze bebildert er mit erstaunlich viel Nacktheit, zumindest für einen von Amerika koproduzierten Film, was aber durchaus auch zu deren sinnlichem Genuss beiträgt. Nachwuchsstar David Kross („Krabat“) erweist sich als respektables neues Sexsymbol und kann auch an der Seite der etablierten Kate Winslet vollkommen überzeugen. In der zweiten Hälfte wird der Stoff dann durch die totgeschwiegene Vergangenheit bereichert, woraus sich die Frage der Schuld weiter vertiefen lässt und gar eine zusätzliche Komponente in der Figur des Michael Berg erscheint. Auch die Rekonstruktion des Deutschlands der 50er, 60er und 80er Jahre ist überaus ansprechend gelungen und unterstreicht den Eindruck eines aufwändigen und detailbewussten Zeitgemäldes. Ebenso wichtig und überzeugend ist die Tatsache, dass man – abgesehen von einigen wenigen zugkräftigen englischsprachigen Stars – für diesen thematisch durch und durch deutschen Film auch überwiegend auf deutsche Schauspieler zurückgegriffen hat und damit einerseits den Stoff in seinem Entstehungsland verwurzelt und ihn andererseits durch seine Internationalität für eine weltweite Kinoauswertung spannend und interessant macht.
(Frank Brenner)
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24