Die Haut, in der ich wohne
E 2011, Laufzeit: 121 Min., FSK 16
Regie: Pedro Almodóvar
Darsteller: Antonio Banderas, Elena Anaya, Roberto Álamo
>> www.almodovar.de/
Bildgewaltiges Melodram
Maßgeschneidert
„Die Haut, in der ich wohne“ von Pedro Almodóvar
Dr. Robert Ledgard (sexy: Antonio Banderas), ein vom Schicksal fleißig gebeutelter Schönheitschirurg, nimmt es mit der Bioethik nicht so genau und manipuliert in seinem Landhaus verbotenerweise genetisch produzierte Haut. Sein Versuchskaninchen: Vera (auch sexy: Elena Anaya), deren Aufenthalt allerdings nicht wirklich freiwilliger Natur ist. Einzige Mitwisserin der heimlichen Experimente ist die Haushälterin Marilia (die Almodóvar’sche Konstante Marisa Paredes). Eines Tages aber steht ein glatzköpfiger Mann im Tigerkostüm (Roberto Álamo) in der Tür, der Dinge in Gang setzt, die Einblicke in die düstere Vergangenheit zutage fördern. Das Drama erzählt vom Gestern und vom Heute, von Tod, Schicksal, Sehnsucht und von der ironischen Genugtuung später Rache.
Ein besessener Beau, dessen Obsession zutiefst tragischen Motiven entspringt und, gepaart mit dem leidenschaftlichen Naturell des verlorenen Helden, zu romantischem Wahnsinn gedeiht: Ein Almodóvar-Märchen! Der spanische Filmmagier badet sein Melodram bewährt in satten Farben und tunkt seine edlen Bilder in einen stimmungsvollen Score (Alberto Iglesias). Ein sinnlicher, erotisch veredelter Leinwand-Reigen. Ein geheimnisvoller, gewitzt verschachtelt erzählter Thriller. Ein stilvoll inszeniertes Edel-Melodram. Und: Trash! Audiovisuell ein Juwel, wird es hier auf dramaturgischer Ebene mal wieder mitunter etwas schrill. Armani, Hugo Boss, Gaultier und zwei attraktive Hauptdarsteller vermögen zu blenden, sie lenken jedoch nicht davon ab: Almodóvar zeigt sich weiterhin unangepasst – und einzigartig, indem er in Sachen Dramaturgie, aber auch, was die Besetzung der Nebenrollen angeht, mit Elementen irritiert, die sich der Farce annähern. Almodóvars Vorbilder für diesen Film sind neben Hitchcock, Buñuel und natürlich George Franjus „Augen ohne Gesicht“ von 1960, eben auch die Hammer-Studios. Dieser Trash-Anteil mag für den konventionellen Zuschauer ein irritierendes Ärgernis sein. Für die anderen ist dies schlicht perfekt, das gewisse Etwas, die Essenz, der Almodóvar.
Humor greift dabei nur selten, eher verloren pointiert, doch rückblickend auf einmal allumfassend. Rache und sexuelle Selbstfindung bleiben die Konstante, der Witz der frühen Werke aus den 80ern („Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“) ist indes schon längst dem psychologisierten Irrwitz gewichen, der schrillen Obsession. Ausgestellter Humor, Wortwitz, Slapstick, Chaos finden hinter dem Bombast der Tragik und Eleganz keinen Platz mehr. Pedro Almodóvar hat die Kurzweil hinter sich gelassen und schafft dafür durchaus streitbare cineastische Ereignisse, die er mit tragischer, epischer Wucht transportiert. Man mag dazu stehen wie man will: Für Almodóvar-Fans ist „Die Haut, in der ich wohne“ ein Fest. Bestätigung. Für die anderen sicherlich zumindest der beste Film von Pedro Almodóvar.
(Hartmut Ernst)
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24
Doppelter Einsatz für „Afrika“
Spendenaufruf des Afrika Film Festivals – Festival 05/24