Die Karte meiner Träume
Frankreich, Kanada 2013, Laufzeit: 105 Min., FSK 0
Regie: Jean-Pierre Jeunet
Darsteller: Kyle Catlett, Helena Bonham Carter, Robert Maillet, Judy Davis, Dominique Pinon
>> kartemeinertraeume.de/
Phantasievoll gezeichnetes Bilderbuchkino
Perpetuum Mobile
„Die Karte meiner Träume“ von Jean-Pierre Jeunet
Jean-Pierre Jeunet will nicht nur Geschichten erzählen, er will immer auch verzaubern, was ihn unweigerlich in die Nähe zu Wes Anderson oder Michel Gondry rückt. Eigenwillig vereinen sich hier visueller Fantasiereichtum, skurriler Humor, die Liebe zum Kino, vor allem aber das Kind im Manne. Jeunet erreicht vielleicht nicht die Tiefen, in denen sich Anderson und Gondry mitunter bewegen. Doch allesamt sind sie begnadete Märchenerzähler für Erwachsene. Jeunets Karriere begann mit „Delicatessen“ bis hin zum dritten Alien-Sequel vergleichbar düster. Dann aber zelebrierte er 2001 mit „Die fabelhafte Welt der Amélie“ schlichtweg alles Glück dieser Welt. Zwei weniger spektakuläre Werke später setzt er mit „Die Karte meiner Träume“ eben dort wieder an. Jeunets zweitem Ausflug nach Amerika liegt das Buch “The Selected Works of T.S. Spivet“ von Reif Larsen zugrunde, ein Roman, der Seite um Seite ergänzt wird durch ein buntes Sammelsurium an wissenschaftlichen Illustrationen und Notizen seines jungen Helden. Eine Steilvorlage für den französischen Kinofantasten, der mit dieser Adaption auch erstmals in 3D dreht und diese dritte Dimension wundervoll einzubeziehen vermag.
Jeunet erzählt die abenteuerliche Geschichte des zehnjährigen T.S. Spivet, der auf der Ranch seiner Eltern in Montana aufwächst. Während sein Bruder zu Papas Liebling, sprich zum Cowboy erwächst, wandelt T.S. eher auf den Pfaden seiner Mutter (Helena Bonham Carter), einer Insektenforscherin. Die Leidenschaft des hochbegabten Jungen ist die Wissenschaft, sein Streben gilt nichts Geringeremals der Erfindung des Perpetuum Mobiles. Mit derlei Ambitionen jedoch kann er im amerikanischen Hinterland nur wenig punkten. Doch Neugier, Erfindungsgeist und Hartnäckigkeit bescheren dem kleinen Genie eines Tages eine Einladung von einem Institut in Washington. T.S. büxt aus und begibt sich auf große Fahrt gen Osten. Ein Abenteuer, auf dem er Landstreichern begegnet und Polizisten entwischt. Das Institut derweil erwartet alles außer einen kleinen Jungen.
Dem jungen Hauptdarsteller Kyle Catlett mag es etwas an Charisma fehlen, der Spannungsbogen dieses Road Movies stünde etwas mehr Zug gut, und die einen oder anderen Konflikte, die gegen Ende plötzlich aufbrechen, sind insgesamt zu wenig gegenwärtig. Zugleich funktioniert der Film geradezu Genre-sprengend als Kinderabenteuer ebenso gut wie als gewitzte Satire auf Medien, Forscher und, ja, auf Erwachsene. Jean-Pierre Jeunet indes geht es wohl in erster Linie um die visuelle Gestaltung. Und die geht vollends auf. Der Filmemacher verweist wiederholt auf sein ästhetisches Vorbild, das Pop-up-Bilderbuch. Es ist beeindruckend, mit welcher Liebe, mit welchem Gespür und Detailreichtum Jeunet hier Bild um Bild gestaltet. Ähnlich wie die literarische Vorlage flechtet er allerlei Schauwerte und Staunebilder ein, die dem Betrachter frech, aber unaufdringlich ins Auge springen. Eine Überbordende visuelle Reise durch eine durch allerlei Farbfilter romantisch entrückte USA. Ein Märchen, nicht nur für Erwachsene.
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