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Die Kunst des negativen Denkens
Norwegen 2006, Laufzeit: 79 Min.
Regie: Bård Breien
Darsteller: Fridtjov Saheim, Henrik Mestad, Kirsti Eline Torhaug, Marian Saastad Ottesen, Per Schaaning, Kari Simonsen, Kjersti Holmen

Nach einem Unfall ist Geirr an den Rollstuhl gebunden. Trotz ihrer Liebe ist die Ehefrau der Situation nicht mehr gewachsen. Eine Psychotherapeutin soll Hilfe bringen – doch alles kommt anders.

Der eheliche Sex klappt nicht mehr, auch sonst sind Frust und schlechte Laune groß. Was Rollstuhlfahrer Geirr (Fridjov Saheim) bleibt, sind ein Joint und dröhnender Johnny Cash. Kurz: Das Paar steht vor der Scheidung. Ehefrau Invild (Kirsti Eline Torhaug) greift zum letzten Mittel, lädt eine Psychotherapeutin ein. Die rückt mit drei anderen Körperbehinderten und psychisch Kranken und einem selbstgerechten Angehörigen an und hofft, mit penetrant guter Laune und „positivem Denken“ Geirr ins rechte Sein zurückzuführen – das heißt, er soll nicht mehr jammern, sondern nur noch das Schöne im Leben sehen. Doch der denkt nicht daran und beharrt auf seiner schlechten Laune und seiner Sicht der Dinge – dass eben nicht alles positiv ist. Er dreht die Situation um und zieht mit seiner nüchternen, sarkastischen Analyse die Behinderten auf seine Seite. Die Therapeutin wird in die Wüste gejagt – wozu braucht man sie, wenn es Alkohol und Hasch gibt?

Darf man über Menschen mit Behinderung lachen? Ja, man darf, man muss in diesem Film sogar und das immer wieder – weil nämlich gerade diese die wahren Helden sind und nicht die besserwissenden Normalos. Regisseur und Drehbuchautor Brad Breien schießt in „Die Kunst des negativen Denkens“ die wohl auch vielen Kinogängern bekannten Wohlfühl-Psychophrasen und -spielchen ab. Hinter den oft bitterbösen Witzen und Action-Szenen steckt viel Gefühl und Verständnis – auch für die überlastete Invild. Breien entlarvt den heuchelnden Eiertanz, mit dem Behinderte und Kranke behandelt werden – und geht deren Angst auf den Grund, anderen zur Last zu fallen und so schließlich notwendige Hilfe zu verlieren. Am Ende gehen die Behinderten gestärkt aus der Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich hervor.

Die Schauspieler überzeichnen nicht, überzeugen auch ohne Grimassenschneiden. Regie und Kamera verzichten auf ablenkende Spielereien, spielen lediglich mit Klischees. Das Kammerspiel entwickelt sich von der Komödie über die Tragödie schlüssig bis zur Katharsis. Leider traut sich Brad Breien nicht, die Geschichte ganz offen zu lassen, doch das leicht kitschige Happy End – es lebe die Liebe! – ist nur ein kleiner Schönheitsfleck.

Vor über 30 Jahren mischte sich „Einer flog übers Kuckucksnest“ durchaus erfolgreich in die Diskussion über die Erneuerung der Psychiatrie ein. Ein ähnlicher Erfolg wäre „Die Kunst des negativen Denkens“ zu wünschen. Feinfühliger und genauer beobachtend als der Hollywood-Kinohit ist er allemal. Und das ohne Starbesetzung.

(Jürgen Schön)

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