Die Queen
Großbritannien 2006, Laufzeit: 97 Min., FSK 6
Regie: Stephen Frears
Darsteller: Helen Mirren, Michael Sheen, James Cromwell, Sylvia Syms, Paul Barrett, Alex Jennings
Der Autor möchte vorausschicken, dass er, wenn überhaupt, die Geschehnisse ums britische Königshaus eher schmunzelnd verfolgt. Dabei kann er den allgemeinen Wissensdurst bezüglich Amouren zu Hofe ebenso wenig nachvollziehen wie die Bedeutung der Institution selbst, nach der ein traditionsverklärter Monarch, der mitsamt Hofstaat und Pomp einem Märchen entsprungen sein könnte, einer westlichen Demokratie im 21. Jahrhundert als Staatsoberhaupt voran steht. Trotzdem kann sich der Autor noch ganz genau an den Todestag von Lady Di erinnern, und daran, dass er sich zu diesem Zeitpunkt bei einem Freund in Krefeld aufgehalten hat. Die Queen verweilte zur gleichen Zeit auf ihrer Sommerresidenz Balmoral Castle in Schottland. Während die Welt aufheult, stempelt die Königin den Tod als Privatangelegenheit ab. Laut Protokoll entbehrt Lady Diana schließlich seit der Scheidung vom Prinzen der höfischen Aufmerksamkeit. Der "Moderniser" und frisch gekürte Premierminister Tony Blair (Michael Sheen) hingegen erkennt rasch, dass das Volk den Tod der Prinzessin wahrlich nicht als Privatangelegenheit behandelt sehen möchte. Tausende Blumensträuße pflastern die Straße vorm Buckingham Palace, Menschentrauben halten Totenwache und harren zunehmend grämend den bislang ausbleibenden Beileidsbekundungen ihres Staatsoberhauptes. Während Blair die Gunst der Stunde nutzt und sich auf rhetorischem Schmuckwerk gestützt zum Tode der "people's princess" mit dem Volk solidarisiert, versteckt sich die Queen hartnäckig im fernen Urlaubsasyl. Das Volk trauert und verlangt die Zeremonie. Nur ist Ihrer Majestät nicht nach Volkstrauer.Frears zeichnet die Queen niemals bösartig. Trotzdem sind die kalte Nüchternheit und ihre unerschütterliche Fehleinschätzung entlarvend. Ihre wechselhafte Positionierung gegenüber Blair ist dabei eklatant und zieht sich als roter Faden durch den Film. Während Gatte Prinz Philip und Schwesterchen Margareth ihre persönlichen Aversionen gegen die verstorbene Prinzessin in Sarkasmen akzentuieren - die dem Zynismus von Blairs Lobbyisten in nichts nachstehen - versteckt sich die Queen hinter der offiziellen Fassade.Es ist nicht nur die Tatsache, dass wir die Queen im Nachtkleid sehen oder ihr dabei zuschauen, wie sie im Jeep durchs Gelände fährt, die aus Ihrer Majestät einen Menschen machen. Menschlich wird die Queen vielmehr durch ihre Schwächen. Und vielleicht sind es am Ende gerade ihre Fehler, die es ihr ermöglichen, ihr Volk mit kleiner Geste zurück zu gewinnen.Frears inszeniert mit leichter Hand und lässt Ausschnitte zeitgenössischer Nachrichtensendungen einfließen. Dabei bleibt er insgesamt seinem humorvoll-entlarvenden Grundton treu. So brilliert Helen McCrory als Cherie Blair, die als moderne Frau der Hofetikette mit ironischem Spott gegenübertritt. Steifärschig britisch mimt Alex Jennings den Prinzen Charles, der sich flexibel und modern gibt. Damit kann er sich zu Hause kaum durchsetzen, und wie er sich schließlich eingeschüchtert und unbeholfen untertänig an Blair wendet, zählt zu den vielen brillanten Szenen, die Frears augenzwinkernd in die dramatischen Ereignisse einflechtet. Helen Mirren meistert die Titelrolle großartig und gibt der Queen ein würdiges, smartes, menschliches Gesicht.Frears macht die Queen nicht lächerlich. Er macht sie greifbar, ohne sie zu entthronen. Nicht die Queen ist hier veraltet, sondern die Institution. Es sind weniger die Protagonisten als die Etikette, die zur Farce verkommt. Die Nation steht hinter der Institution, es pfeift dabei aber auf das Protokoll. Das Volk will eine Königin. Es verlangt nach Spektakel, nach Gesten. Das Volk will das Märchen.
(Hartmut Ernst)
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