Die Tänzerin
Frankreich 2016, Laufzeit: 112 Min., FSK 12
Regie: Stéphanie Di Giusto
Darsteller: Soko, Gaspard Ulliel, Lily-Rose Depp, Amanda Plummer
>> www.taenzerin-derfilm.de
Anmutig erzähltes Künstlerdrama
Tanzender Schmetterling
„Die Tänzerin“ von Stéphanie Di Giusto
Illinois, USA, irgendwann Ende der 1880er Jahre: Marie Louise Fuller wächst bei ihrem Vater auf. Das junge Bauernmädchen fühlt sich zu Malerei, Lyrik und Tanz hingezogen. Da ihr das Umfeld jegliche kreative Entfaltung verwehrt, bleibt Marie nur die Flucht in die Phantasie. Als ihr geliebter Vater stirbt, macht sich die junge Frau auf nach New York. Dort findet sie Obhut bei ihrer streng gläubigen Mutter. Vor allem aber findet sie den Weg zur Bühne. Unter dem Namen Loïe Fuller wird sie in ihren Shows erstmals elektrische Lichtprojektoren einsetzen und eine neuartige Performance entwickeln: den Serpentinentanz. In Paris schließlich gelingt ihr der Durchbruch. Hier erhält sie endlich Anerkennung, hier lässt sie ihre bahnbrechenden Erfindungen patentieren. Sie engagiert Tänzerinnen für eine eigene Ballettkompagnie und inszeniert eines ihrer Stücke gar auf Film. Hier ebnet Loïe Fuller zu Beginn des 20. Jahrhunderts dem Modernen Tanz den Weg.
Heute ist die Künstlerin und Ikone der Belle Epoque vielerorts vergessen. Dem wirkt die Regiedebütantin Stéphanie Di Giusto nun mit ihrem Drama entgegen. Sie konzentriert sich auf die beiden Handlungsorte New York und Paris und sucht eine Melange aus Dichtung und Wahrheit, um der Seele ihrer Heldin gerecht zu werden. So stellt sie der Lesbierin einen fiktiven Mann zur Seite. Der zu Depressionen neigende Adlige Louis Dorsay (Gaspard Ulliel), der sie in New York entdeckt, fördert und ihr verfällt. Diese Beziehung bleibt über weite Strecken etwas rätselhaft. Umso anschaulicher gelingt das Portrait der „Tänzerin“, die inspiriert und – schonungslos gegen sich selbst – ihre Ideen zum Leben erweckt. Es gibt keine Filmdokumente des Serpentinentanzes, ihr Wissen um Technik und Ausführung nahm die Künstlerin mit ins Grab. Dem Film gelingt dennoch eine phantastische Bebilderung der Darbietungen.
Rasch erschließt sich die Faszination, der Loïe Fuller ihr Publikum aussetzte: Der innovative Ansatz, die Sogwirkung des Zusammenspiels aus Kostümierung und Bewegung und nicht zuletzt der Rausch der Farbprojektionen, jene fluoreszierende Effekte, die ihr Werk zunehmend prächtig in Szene setzten. Arrangements voller Anmut und Magie, die ihr Opfer fordern. Fuller gerät körperlich an ihre Grenzen, die Beleuchtung setzt ihren Augen zu. Es ist ein erfolgreicher, aber ebenso schmerzvoller Weg, der sich auch tief in die Seele Fullers frisst: Fehlende Anerkennung geht einher mit fehlendem Selbstbewusstsein, das genährt wird, als Fuller junge Frauen für ihre Kompagnie anheuert – allen voran Isadora Duncan, der späteren Vorreiterin des modernen Ausdruckstanzes. Diese stellt ihre burschikose Choreografin nicht nur in den Schatten, sondern verdreht ihr auch die Augen. Johnny Depps Tochter Lily-Rose Depp verkörpert Isadora mit enthobener Aura. Vor allem aber überzeugt die französische Sängerin und Schauspielerin Soko als Loïe Fuller, die sich ihre Träume bis zur Schmerzensgrenze erkämpft und auf der Bühne vom hässlichen Entlein zum tanzenden Schmetterling erwächst.
(Hartmut Ernst)
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24