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Fahrenheit 9/11
USA 2004, Laufzeit: 110 Min., FSK 12
Regie: Michael Moore
Darsteller: Michael Moore, Debbie Petriken

Mehr als ein bloßer Film ist Moores "Fahrenheit 9/11" ein kulturelles Phänomen. Nach Jahrzehnten der Unterhaltungskultur zeugt sein Erfolg in den Charts von einem enorm gewachsenen Durst nach Realität, mehr noch danach, die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. Fahrenheit ist der erfolgreichste dokumentarisch angelegte Film der Geschichte. Moore seziert humorvoll das Geschäft mit der Angst Nicht nur die goldene Palme Cannes, auch die Tatsache, trotz der Altersbeschränkung auf 17 Jahre seit Wochen die Spitzenposition an den Kinokassen in den USA zu behaupten, eskortiert von Hunderten von Prominenten, die Privileg und Einfluss nutzen, um diesen Film zur Visitenkarte der eigentlichen USA zu machen, weist auf einen grundlegenden Wandel der Bedeutung des Kinos in der Gegenwartskultur. Michael Moore ist vorgeworfen worden, polemisch und vereinfachend zu sein. Aber er will einfach und polemisch sein, um die Maschinerie massenmedialer Manipulation mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen. Moore zeigt die gern verleugneten US-Soldaten im Irak, die vor laufender Kamera aussprechen, dass sie nach Hause und nie an diesen Ort zurückkehren wollen, um "arme Leute zu erschießen". Er zeigt die jahrzehntelangen geschäftlichen Verquickungen der Bush- und Bin-Laden-Familie, er zeigt den politischen und ökonomischen Profit, den George Bush aus dem 11. September ziehen konnte, er zeigt die obszöne Weise, auf die in Armenvierteln junge Männer in die Army gelockt werden, er zeigt aber vor allem ? wie schon in seinem letzten Werk "Bowling for Columbine" ? die lebensweltlichen Konsequenzen der Atmosphäre der Angst, die die Bushregierung systematisch durch Körperkontrollen und Überwachungssysteme erzeugt, die zum weltweit erfolgreichsten "Exportartikel" der Vereinigten Staaten geworden sind. Mehr als ein Statement gegen Irakkrieg und den Bush-Clan, zu dem "Fahrenheit" von einem Teil der Kritik reduziert wurde unter Hinzufügung der Film- und Buchlisten, die dies schon besser und genauer geleistet haben, ist "Fahrenheit" die sarkastische Analyse einer profunden Manipulation, die die Zerstörung des öffentlichen Lebens und der Solidarität intendiert durch die bewusste Installierung von Misstrauen, Hysterie, Angst und Aggression. Moores entscheidendes Markenzeichen aber ist, nicht bloß anzuklagen, sondern die Angeklagten im direkten körperlichen Einsatz unmittelbar mit ihrer Heuchlerei zu konfrontieren, was oft zu entlarvend komischen Effekten führt.

(Dieter Wieczorek)

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