Fickende Fische
Deutschland 2002, Laufzeit: 105 Min., FSK 12
Regie: Almut Getto
Darsteller: Tino Mewes, Sophie Rogall, Anette Uhlen, Hans-Martin Stier, Ferdinand Dux, Angelika Milster, Jürgen Tonkel, Thomas Feist, Uwe Rohde
Mit 16 bunten Pillen beginnt der Tag von Jan (Tino Mewes), einige davon sind so groß wie ein Daumennagel. Von einem schweren Autounfall hat der 16-Jährige nicht nur eine Narbe behalten: Eine verseuchte Blutkonserve führte zur HIV-Infektion. Das Leben des schüchternen Einzelgängers verläuft wie im Vakuum, an der Wand über seinem Bett hängen traurige Aphorismen über Mitleid, Medizin, Tragik man hat den Eindruck, als würde Jan seine Zeit damit verbringen, auf den Tod zu warten. Nur wenn er sich mit Fischen und Wasser beschäftigt, blüht der eher unattraktive Blondschopf auf das Paradies stellt er sich "dunkel, ruhig und nass" vor.Ganz anders tickt da die etwa gleichaltrige Nina (Sophie Rogall). Während Jan sich wie durch Watte bewegt, am liebsten die Augen schließt und in eine Unterwasserwelt fortträumt, steht sie mitten im Leben, sprüht vor Energie und Spontaneität und ist mit ihrer offenen, ungekünstelten Art einfach hinreißend. Nach einem zufälligen Zusammentreffen auf der Straße ist das ungleiche Paar nicht mehr zu trennen. Nina wirkt wie ein Aufputschmittel auf den zurückgezogenen Jan, Jan wird zur wichtigsten Person für Nina, deren näheres Umfeld ihr wenig Halt bietet die schmerzlich vermisste Mutter lebt in Kenia, beim Vater ist die neue, äußerst attraktive Freundin eingezogen. Ninas pubertäre Neugier für das Geschlechtsleben von Fischen steht am Anfang einer tiefen Freundschaft, aus der sich behutsam die erste große Liebe entwickelt. Jan verschweigt Nina seine Krankheit, doch mit zunehmender Intimität droht das Geheimnis mehr zu zerstören als die Wahrheit."Fickende Fische" ist kein um Mitleid heischender Aids-Film, die schwerelos-komischen überwiegen die tragischen Momente um ein Vielfaches. In einer wunderbaren Szene nähern sich die Teenager in Ninas Jugendzimmer linkisch an, zu mehr kommt es zunächst aber nicht, weil Coco, die Freundin von Ninas Vater, hineinplatzt. Der Darstellerleistung von Sophie Rogall und Tino Mewes ist es zu verdanken, dass der Zuschauer "Wie gut, dass ich das hinter mir habe" und zugleich "Schade, dass ich das schon hinter mir habe" denkt. Peinliche Verklemmtheit, neugierige Aufregung die Emotionen funken nur so über die Leinwand. Ebenso wie die sympathische Nina hat man bald auch den zunächst farblosen Jan ins Herz geschlossen Tino Mewes könnte der Ben Becker der kommenden Generation werden.Kein Aidsfilm und doch ist Jans Krankheit beherrschendes Element. Die Ansteckungsgefahr, die Allgegenwärtigkeit des Todes gibt der ersten Liebe einen ungemein erwachsenen Touch. Respekt, Verantwortung, Ehrlichkeit spielen zwischen Jan und Nina eine entscheidende Rolle. Dies, die mitreißenden Schauspieler und die ungewöhnlich stimmige Musik machen den ersten Langfilm von Regisseurin Almut Getto auch für Kinobesucher sehenswert, die das Teenageralter schon überschritten haben.
(Marita Ingenhoven)
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24
Doppelter Einsatz für „Afrika“
Spendenaufruf des Afrika Film Festivals – Festival 05/24