Flow
Lettland, Frankreich, Belgien 2024, Laufzeit: 85 Min., FSK 6
Regie: Gints Zilbalodis
>> www.mfa-film.de/kino/id/flow/
Prachtvolles, magisch ausgebremst erzähltes Animationsabenteuer
Erlebnis
„Flow“ von Gints Zilbalodis
Eine schwarze Katze streicht durch den friedlichen Wald und macht ihr Ding. Nach dem Mittagsschlaf begegnet sie einer aufgescheuchten Hundemeute. Ein Hase flieht. Rehwild. Vögel. Und dann kommt die große Welle: Der Wald wird überflutet, rasch steigt der Wasserpegel. Die Katze rennt, stürzt und klettert. Nach oben, bis oben unten ist. Ihre Rettung: ein herrenloses Boot. Schon bald hat sie Gesellschaft: ein treuer Golden Retriever, ein genügsames Capybara, ein sammelwütiger Lemur und ein ausgestoßener Storchvogel finden sich nach und nach auf dem kleinen Segler ein und treiben gemeinsam durch die überschwemmte Natur. Der Beginn einer Reise, auf der die Tiere ihre Ängste überwinden und Zusammenhalt finden müssen.
Ganz wunderbar reduziert zaubert der lettische Regisseur Gints Zilbalodis („Away – Vom Finden des Glücks“) eine animierte Fabel auf die Leinwand. Eine Reise, die ganz ohne menschliche Sprache auskommt. Und überhaupt, das ist gerade mal sehr wohltuend: ganz ohne Menschen! Vom Setting her erinnert „Flow“ an den Endzeit-Actioner „Waterworld“ mit Kevin Costner und Dennis Hopper – nur eben ohne Kevin Costner und Dennis Hopper. Kein Mensch ist hier zu sehen. Kein Hass, kein Gequassel, keine Neurosen, kein Krieg. Es herrschen, selbst in der Krise, Ruhe und Frieden. Die Stimmung erinnert an die erste Hälfte von Pixars „Wall-E“, in der ein kleiner Roboter verloren durch die Trümmer irrt, die die Menschen auf ihrer Flucht ins All hinterlassen haben. Nur sind die Trümmer in „Flow“ überdeckt vom Wasser. Wasser, das Gefahr und Katastrophe ist, aber auch Chance. Die Natur dominiert und prägt den Flow von „Flow“, der atmosphärisch einem Traum gleichkommt. Die Tiere solidarisieren sich dabei in der Not und finden einen Weg zum Miteinander, ohne dabei vehement vermenschlicht und gesellschaftskritisch in einer „Animal Farm“ zu scheitern. „Flow“ erzählt mal nicht von Tieren, nur um eigentlich von Menschen zu erzählen. Es gibt Konflikte, aber die Tiere bleiben Tiere. Nur ganz zaghaft verleiht Zilbalodis seinen Protagonisten Charakterzüge. Lässt sie treiben, entdecken und lernen. Ein Abenteuer, das ruhig fließt, ohne zu langweilen. Denn auch die ausgebremste Gangart des Films birgt Spannung und Humor, und die Animation ist eine Pracht.
Gints Zilbalodis ist ein visueller Erzähler. „Meine Lieblingsfilme und Filmszenen sind alle nicht auf Dialoge angewiesen. Woran ich mich bei ihnen am meisten erinnere, sind Bilder und das Erlebnis.“ Der Regisseur versteht „Film als Erlebnis“. Das herausgenommene Tempo mag nicht in die Zeit passen, in der mit ihren Handys verwachsene Erwachsene und ihre Kinder nicht mehr zur Ruhe kommen. Anders als bei Roland Emmerich gipfelt die Flut hier nicht in Reizüberflutung. „Flow“ bildet vielmehr eine Oase. „Flow“ erdet. Zilbalodis erzählt die Geschichte einer Katze, und er hat dabei nicht gezielt einen Kinderfilm gemacht. Dem Regisseur geht es darum, Filme zu machen, die er selbst „gern sehen würde“. „Flow“ ist kein Kinderfilm – er ist ein Erlebnis, auch für Kinder.
(Hartmut Ernst)
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