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Goodbye Julia

Goodbye Julia
Sudan 2023, Laufzeit: 125 Min., FSK 12
Regie: Mohamed Kordofani
Darsteller: Eiman Yousif, Siran Riak, Nazar Goma
>> www.kino-on-demand.com/kino-plus/julia

Eindringliches Drama um Schuld und Sühne im Sudan-Konflikt

Innere und äußere Konflikte
„Goodbye Julia“
von Mohamed Kordofani

Fast prophetisch verweist das allerletzte Bild von Mohamed Kordofanis Spielfilmdebüt auf die unmittelbare Gegenwart des Sudans. Dabei steckt in dem sensiblen Drama auch ein wenig Hoffnung für das seit Jahrzehnten vom Bürgerkrieg gebeutelte, vor der Abspaltung des Südsudan einst flächenmäßig größte afrikanische Land. Die Blicke der Welt sind aktuell vor allem auf die Ukraine und Gaza gerichtet, doch die kriegerischen Handlungen des letzten Jahres im Sudan spitzten sich in den vergangenen Monaten und Wochen zu der aktuell weltweit größten menschlichen Tragödie zu. Die Hilferufe verhallen allerdings weitgehend. Zwölf Millionen Menschen – über ein Viertel der Bevölkerung – sind seit den letzten Monaten auf der Flucht, um den immer rücksichtsloseren Bürgerkrieg zwischen der sudanesischen Armee (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) sowie zahlreichen Milizen, die allesamt auch vor Attacken auf Krankenhäuser und andere humanitäre Einrichtungen nicht Halt machen, zu entkommen. Die Zahl der Toten wird auf mehrere 10.000 bis 150.000 geschätzt. Stimmen aus der UN und anderen humanitären Organisationen warnen aber schon vor einem Genozid wie in Ruanda, der vor 30 Jahren bis zu einer Millionen Tote forderte. Dabei gab es in den zurückliegenden Jahren immer wieder Augenblicke der Hoffnung.

Diese kleinen Hoffnungsschimmer findet man auch in „Goodbye Julia“, der 2005 angesiedelt ist, zwei Jahre nach Ausbruch und Höhepunkt des bis heute schwelenden Bürgerkriegs in Darfur, den südwestlichen Bundesstaaten des Sudans. Mona lebt mit ihrem Mann Akram (Nazar Gomaa) in der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Das muslimische Ehepaar entstammt der Mittelklasse, für ihren religiösen Ehemann hat die ehemalige Sängerin ihren Beruf aufgegeben, nun versuchen sie vergebens, Kinder zu bekommen. Als John Garang, Vizepräsident des Sudans und ehemaliger Rebellenführer des Südsudans, bei einem Flugzeugabsturz umkommt, ist die Chance auf einen friedlichen Gesamtsudan vorbei. Stattdessen flammen in der gesamten Hauptstadt Ausschreitungen der mehrheitlich christlichen Südsudanesen auf, die gegen die meist wohlhabenderen muslimischen Sudanesen gerichtet sind. Auch vor dem Haus von Mona gibt es Tumulte. In der aufgestachelten Situation verursacht sie aus Unachtsamkeit einen Unfall und fährt mit ihrem Auto einen kleinen Jungen an. Als der Vater erscheint, begeht sie Fahrerflucht, doch der rast mit seinem Motorrad hinter ihr her. Vor ihrem Haus angekommen vermutet Akram in dem wütenden Mann einen Aufständischen und erschießt ihn. Der Vorfall wird vertuscht, Mona ist geschockt. Als sie kurz darauf zum Unfallort zurückkehrt, sieht sie, dass der von ihr angefahrene Junge wohlauf ist. Aus ihren quälenden Schuldgefühlen heraus stellt Mona dessen Mutter Julia (das Model Siran Riak ist die überhaupt erste südsudanesische Frau, die in einem Film mitspielt), eine junge, christliche Frau aus dem Südsudan, bei sich als Haushälterin ein und bezahlt dem Jungen eine Privatschule. Doch Julia weiß nicht um die Hintergründe und sucht weiter nach ihrem vermissten Ehemann.

Regisseur Mohamed Kordofani gelingt ein ruhiges, stilsicheres Drama, das zum einen den komplexen politischen und sozialen Hintergründen des Sudans gerecht wird, zum anderen seine Figuren nicht als Folien, sondern als vielschichtige und auch widersprüchliche Menschen ernst nimmt. Die klare filmische Vision, die komplett ohne Filmmusik auskommt, erstaunt bei Kordofanis Werdegang: Lange Zeit lebte er in Bahrain als Flugzeugingenieur, bevor er als Autodidakt den ersten sudanesischen Film realisierte, der je in Cannes zu sehen war und damit gleich den Prix de la liberté – Preis der Freiheit – gewinnen konnte. Die Intensität der internationalen Koproduktion, an der u.a. die Film- und Medienstiftung NRW und die Kölner Produktionsfirma Rushlake Media beteiligt sind, ist aber vor allem den beiden Hauptdarstellerinnen zu verdanken, die ihre vielschichtigen Rollen und deren Konflikte vor dem tragischen, leider immer noch andauernden kriegerischen Hintergrund des Landes zu bewältigen haben. Der Film wurde vor dem Aufflammen des aktuellen Konfliktes im April 2023 fertiggestellt. Die Hoffnung auf eine friedlichere Zukunft ist seitdem leider fast begraben.

Cannes 2024: Prix de la Liberté


(Christian Meyer-Pröpstl)

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