Gran Torino
USA 2008, Laufzeit: 116 Min., FSK 12
Regie: Clint Eastwood
Darsteller: Clint Eastwood, Bee Vang, Ahney Her, Christopher Carley, Brian Haley, Geraldine Hughes, Dreama Walker, Brian Howe, John Carroll Lynch, William Hill, Cory Hardrict, Nana Gbewonyo
Walt Kowalski, ein konservativer Veteran des Koreakriegs, lebt als Witwer inmitten von asiatischen Migranten. Sein Rassismus wird durch die neuen Nachbarskinder langsam erschüttert.
Clint Eastwood steht im stolzen Alter von 78 Jahren immer noch vor und hinter der Kamera. Vor allem aber steht er im Schatten seiner eigenen Filmografie. Trotz des sichtbaren Alters sieht man in ihm immer noch den jugendlichen, coolen Shooter aus den frühen Italo-Western oder den grimmigen Dirty Harry. Das weiß Eastwood natürlich, und er weiß, dass er da nicht mehr rauskommt. Eastwoods Strategie, mit diesem Dilemma umzugehen: Seine Rollen sind seit Jahren von einem mehr oder weniger deutlichen selbstreflexiven Umgang mit seiner darstellerischen Vergangenheit geprägt.
Karikatur eines Rassisten
Auch Walt Kowalski war früher eine Art Revolverheld. In den 50er Jahren, im Koreakrieg, hat er den asiatischen Gegnern – er würde sie mindestens „Schlitzaugen“ nennen – mit der Waffe Paroli geboten. Knapp 60 Jahre später fühlt sich der paranoide Kriegsveteran wieder auf ähnliche Art vom Feind umzingelt: Die Nachbarschaft, einst ein gepflegter Vorort, ist inzwischen vor allem von asiatischen Migranten bewohnt. Asiatische und schwarze Gangs stehen sich auf den Straßen drohend gegenüber, auch wenn das Szenario weit entfernt ist von üblichen Ghettobildern. Aber für Walt muss es der Untergang des Abendlandes sein, dass er als letzter „echter“ Amerikaner die Fahne der Zivilisation hochhält. Das darf man wörtlich nehmen, denn auf dem gepflegten Grundstück weht natürlich immer die Flagge der USA. Als Walt den 16jährigen Nachbarssohn Thao beim Versuch erwischt, seinen gepflegten 72er Ford Gran Torino zu klauen, fühlt sich der offen rassistische Walt in all seinen Vorurteilen bestätigt. Die Familie des Jungen bietet jedoch Wiedergutmachung an: Thao soll Walt zur Hand gehen. Nach anfänglichem Zögern nutzt Walt die Gelegenheit, den Jungen herumzukommandieren. Als er Thao mehr unfreiwillig vor dem Übergriff einer Gang schützt, sieht er sich auch noch mit einer überwältigenden Dankbarkeitswelle der Verwandtschaft konfrontiert: Blumen, Essen und Zierrat säumen seine Auffahrt, landen aber schnell in Walts Mülltonne. Doch so einfach lässt sich die Familie nicht abwimmeln. Langsam bröckelt Walts Ignoranz und weicht einem vagen Interesse. Er setzt sich für den sensiblen Jungen ein.
Trotz des Themas konfrontiert „Gran Torino“ den Zuschauer gleich zu Beginn mit einem merkwürdigen, trockenen Humor. Walts Rassismus wirkt wie eine Karikatur, und wenn er seinen Hass in einem animalischen Knurren äußert und verächtlich ausspuckt, dann ist das abstoßend und erheiternd zugleich. Auch wie er den Pater der Gemeinde, nach dem Tod seiner Frau um Walt besorgt, oder seine Verwandtschaft abbügelt, ist höchst amüsant. Coole Sprüche hat der Alte einige auf Lager, Sensibilität ist hingegen nicht sein Metier. Walt ist ein grober, konservativer Macho, der sich nur schwer aus seiner Rolle befreien kann. Auch im überraschenden Finale gelingt der Ausbruch aus dem Klischee nur bedingt. Ähnlich wie Kevin Costner vor sechs Jahren in „Open Range“, wo er aus Sehnsucht nach einem normalen Leben vor dem großen, klassischen Showdown noch ein Kaffeeservice für seine große Liebe ersteht, kann auch Eastwood hier nur innerhalb seiner klassischen Rolle variieren – ganz raus kommt er nicht. In diesem unaufgelösten Widerspruch hält sich bis zum Ende die Spannung des Konflikts.
Gebrechlicher Held
Der Mann ist fast 80 und hat in den letzten drei Jahren als Regisseur vier Filme gedreht, in einem war er außerdem als Hauptdarsteller zu sehen. Von Altersschwäche ist da wenig zu merken. Es ist vielmehr Clint Eastwood, der ständig selbstironisch auf sein Alter verweist – und das schon seit geraumer Zeit: Schon in „Space Cowboys“, wo sich alternde Astronauten (!) noch mal in ein Abenteuer stürzen, ging er offensiv mit dem Thema um, in „Gran Torino“ durchweht es jedes einzelne Bild. Nicht nur Schrulligkeit und Altersstarrsinn kennzeichnen Walt, auch seine zunehmende Gebrechlichkeit ist offensichtlich. Richtig abfinden mag sich der Alte nicht damit, dass er einen asiatischen Teenager um Hilfe bitten muss, wenn er eine Tiefkühltruhe aus dem Keller transportieren will. Der 78jährige Clint Eastwood hat hingegen angekündigt, dass sein Auftritt in „Gran Torino“ sein letzter vor der Kamera war, es wird ihm langsam zu anstrengend. Vor diesem Hintergrund erscheinen die letzten Bilder seiner jüngsten Regiearbeit unter einem ganz anderen Licht. „Gran Torino“ wäre auf jeden Fall ein gelungener Schlusspunkt, der selbstreflexiv die prägendsten Rollen seiner Karriere aufgreift. Eastwoods Enthusiasmus als Regisseur ist jedoch ungebrochen: Ein Film über Nelson Mandela als Präsident Südafrikas ist für dieses Jahr angekündigt, danach soll ein Biopic über Mark Twain folgen. Gerüchten zufolge könnte er da aber seine allerletzte letzte Rolle als der im Krankenhaus liegende Schriftsteller spielen. Vielleicht wird man ihn doch irgendwann im Sarg vom Set tragen müssen.
(Christian Meyer)
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