Hotel Lux
D 2011, Laufzeit: 103 Min., FSK 12
Regie: Leander Haußmann
Darsteller: Michael "Bully" Herbig, Jürgen Vogel, Thekla Reuten, Alexander Senderovich, Valerie Grishko, Juray Kukura, Friedrich-Karl Praetorius, Sebastian Blomberg
>> hotel-lux-film.de/
Charmante Verwechslungskomödie
Wodka mit Stalin
„Hotel Lux“ von Leander Haußmann
Film- und Theaterregisseur Leander Haußmann erweist sich im Kino nicht eben als verlässliche Konstante: Kleine, gewitzte Kinoperlen à la „Sonnenallee“ und „Herr Lehmann“ werden dort schon mal abgelöst von vergleichbar plumpen Klamotten wie „NVA“, „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ oder „Dinosaurier – Gegen uns seht ihr alt aus“. Es scheint, als sei Haußmann besonders stark, wenn seine Filme von einem besonderen historischen Kontext gerahmt werden. Dies trifft nun auch wieder auf „Hotel Lux“ zu. Waren es in „Sonnenallee“ und „Herr Lehmann“ die Geschehnisse rund um die Berliner Mauer und deren Fall, so verlagert der einstige DDR-Bühnen-Darsteller Haußmann seine Geschichte diesmal vor die Zeit des Mauerbaus, genauer: Ins Jahr 1938.
Hans Zeisig (Michael „Bully“ Herbig) ist Herzblut-Schauspieler in einem Berliner Varieté-Theater und träumt von Hollywood. Doch bis es soweit ist, parodiert er auf der Nazi-Bühne Stalin. Sein Bühnenpartner: Siggi Meyer (Jürgen Vogel), der als alberner Hitler über die Bretter stakst. Das wiederum wissen die Parteimitglieder im Saal nicht lange zu schätzen. Siggi geht in den Untergrund, und als die Lage auch für den politisch desinteressierten Zeisig brenzlig wird, setzt der sich unter falschem Namen ab und landet in einem Exilantenhotel in Moskau, dem Hotel Lux. Dort hält man ihn für Hitlers Astrologen, den Stalin fortan umgarnt. Und dann steht auch noch eine alte Bekannte in der Tür: Die Untergrundkämpferin Frida (Thekla Reuten).
Mit einem munteren Start eröffnet Haußmann seinen Rückblick in eine unschöne Zeit. Und es bleibt temporeich in dieser Verwechslungskomödie, in der kleine Kinder im Hausflur „Auf der Flucht erschossen“ spielen und Dolmetscher die Konsequenzen eines Gesprächs unter vier Augen zu spüren bekommen. Der Humor bewegt sich unbeschwert zwischen Ulk und Zynismus und gibt sich dabei auch gelungen satirisch, wenn er Herrscherfiguren und Machtmechanismen vorführt. Allgegenwärtig bleiben bei aller Schmunzelei die Ängste, die Repressionen, das Misstrauen, die blutige Willkür zweier diktatorischer Systeme, und das ist klug so. Haußmann nimmt Täter und Opfer gleichermaßen ernst. Und er offenbart dabei augenzwinkernd ihre Schwächen. Das gilt für einen Macken-behafteten Stalin und dessen uniformierte Handlanger ebenso wie für Zeisig, dem Mitläufer: Ein Duckmäuser, der sich verstellt, ein Chamäleon, das sich dem jeweiligen System anpasst, um seine egoistischen Träume zu verfolgen. Die einzige Größe, die Zeisig auszeichnet, ist die, dass er zu seiner Feigheit steht. Und dies macht ihn am Ende, im Zusammenspiel mit seiner selbstüberschätzten Unbedarftheit, gar sympathisch.
„Hotel Lux“ verdient auch audiovisuell das Kino: Varieté-Choreografien, tolle Kulissen in stimmungsvollen Bildern, witzige Schwarzweiß-Einspieler und ein beschwingter Soundtrack füllen die Leinwand bis in Details mit Größe. Details spiegeln sich dabei auch im Humor, wenn man beispielsweise im Exilantenhotel wiederholt mal eben künftigen DDR-Parteigrößen begegnet. Und so ist auch in diesem Haußmann-Film bereits die Mauer gegenwärtig und reiht sich damit ein in die Riege der gelungensten Werke des Regisseurs: Die seiner Mauer-Filme.
Eine kluge, aber nicht verkopfte, gradlinig und gewitzt erzählte Komödie, bei der sich einzig die Romanze zwischen Zeisig und Frida nicht so recht erschließen will. Ansonsten aber hält Haußmann die Zügel sicher in der Hand.
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24