I'm not there
USA 2007, Laufzeit: 135 Min., FSK 12
Regie: Todd Haynes
Darsteller: Christian Bale, Cate Blanchett, Heath Ledger, Richard Gere, Julianne Moore, Michelle Williams, Charlotte Gainsbourg, Ben Whishaw, Marcus Carl Franklin, David Cross, Kim Roberts
Psychodelic Dada
Der Doc (14), 20.03.2008
Erst mal vorweg: Dies ist ein ganz schlechter Film. Wirr, langweilig, sinnlos. Niemand würde ihm eine Träne nachweinen, wenn es ihn nicht gäbe. Die Überlängen lassen auch den einschlafen, der gutwillig ist. Der Cutter ist wohl selbst eingenickt und hat die abgedrehten Filmszenen ohne Sinn und Verstand so zusmmmengeschnitten, wie sie zufällig mit der Post eingingen.
Man denkt lange Zeit, man ist noch im Vorfilm, aber da ist man dann falsch gewickelt. Oft bleibt unklar, wessen Geschichte eigentlich erzählt wird, die von Woody Guthrie, die von Pete Seegers oder die von Bob Dylan. Die einzelnen Geschichten passen nicht zueinander, man weiß nie, welche gerade gezeigt wird. Das ist mehr als eine gespaltene Persönlichkeit, die da gezeigt wird, das ist schlicht zusammenhangslos und jede Sequenz gibt nicht mal in sich einen Sinn. Was da läuft, ist einfach handwerklich schlecht gemacht.
Aber immerhin ist es ein sehr schöner schlechter Film. Kate Blanchett spielt den zynischen Poeten, der keine Ordnung in sein Leben kriegt und es leid ist, das jeder Scheiß aus seinem Mund zur Weißheit vergoldet wird. Der das Rad von Suff, Drugs und Zigaretten immer schneller dreht, der Gefühle und Liebe nicht mehr empfinden kann. Kate IST Dylan, nein, sie ist besser als er selbst. Das Grundproblem des Weltverbesserers, der nichts verändert, des Poeten, den keiner versteht, des Bohemien, der die Achtung vor sich selbst verliert, das alles hat sie wunderbar gespielt.
Und die Zeit der Sechziger ist subtil eingefangen und destilliert: die Parties, die Mode, die sinnentleerte Rebellion der arroganten Weltverbesserer, die Äußerlichkeiten der Protestallüren, die über den Bildschirm flimmernden Bomben, Unruhen und Attentate, die man mit Drogen und plakativer Selbstbeweihräucherung bekämpfte. Dieses Gefühl der Sinnlosigkeit und des Zerhackens der Realität, wie sie schon die Dadabewegung nach dem ersten Weltkrieg wahrnahm und zelebrierte, das alles wird perfekt gespiegelt. In einer Szene mit Richard Gere ersteht sogar Sergeant Peppers Heart Club Band wieder zu neuem Leben auf. Kurz und gut kommt das Motto der damaligen Zeit rüber: Das Leben ist ein buntes Spiel und ein Sinn ist nicht zu erkennen. Heute dagegen leben wir den bitteren und trüben Ernst des Lebens und suchen dafür mühsam einen Sinn, das ist der Unterschied. Als einer der schon damals lebte, muß ich zugeben, die Stimmung jener Zeit ist sehr gut eingefangen. "Supeeerb" hätte mal damals gesagt.
Zwei gute Sprüche gibt es auch im Film."Das Dumme an der Vergangenheit ist, das man nicht weiß, was daraus noch alles wird" und "Ich akzeptiere das Chaos, aber ich weiß nicht, ob das Chaos mich akzepitiert". Das muss ich mir merken.
So gab es manche Gedanken von einiger Brillianz, die im Chaos des Films leider versanken,aber der Bergungsarbeiten bedürften, um sie zu heben. Alles in Allem gab es also doch manches Gute im Film; wenn man ihn auf die Hälfte der Zeit schneiden und die Szenen neu ordnen würde, könnte sogar ein ganz passabeler Film draus werden. So war es leider nur eine Mischung aus Dada und Psychodelic. Wenn es einen Oskar für den schönsten schlechten Film gäbe, würde ich "I´m not there" sofort nominieren.
Astronaut!
gutzi (182), 18.03.2008
Im Januar in Sydney im Original gesehen - fast nichts verstanden, aber viel Spaß gehabt
Im Februar dann in Düsseldorf in der synchronisierten Fassung gesehen - deutlich mehr, wenn auch immer noch nicht alles verstanden und wieder viel Spaß gehabt
Im März schließlich den Soundtrack gekauft - und der macht genauso viel Spaß wie der Film
Meisterleistung
Kinokeule (541), 07.03.2008
Es sind genau diese Filme, warum ich mir seit so vielen Jahren ein Kinoticket kaufe und so oft die Hoffnung habe, dass im Kinosaal etwas mit mir geschieht, mit dem ich vorher nicht gerechnet hatte; welches mich im innersten berührt, mich zu einem besseren Menschen macht oder doch wenigstens die Schraube des Bewusstseins eine Umrundung weiter dreht.
Zunächst ist dieses aber eines der interessantesten Filmprojekte aus den letzten Jahren. Was ist der Unterschied zwischen dieser Biografie und anderen, z.B. Ray oder Johnny Cash? Durch die 6 Schauspieler, die Dylan darstellen verschwendet man nicht soviel Aufmerksamkeit auf die einzelnen Darsteller. Nachher erinnert man sich oft nur an die tollen Leistungen eines Jamie Fox oder Joaquim Phönix. War da noch was? Ach, ja, es geht doch auch um den Künstler, sein Schaffenswerk, sein Einfluss auf unser Leben. Das verschwindet dann viel zu häufig hinter den Darstellern.
Und deshalb ist der Kniff des Regisseurs mit den wechselnden Schauspielern absolut genial. Dem spielt die Wandlungsfähigkeit des Bob Dylans in die Karten, so dass diese Lösung fast schon zwangsläufig ist.
Man muss auch nicht das ?komplette Oeuvre auf dem Schirm? haben, wie jemand weiter unten schreibt. Im Gegenteil, sind es doch die amerikanischen Mythen, die unabhängig von Dylan, verfolgt werden können, die sich aber in seinem Leben/Werk auf das Feinste widerspiegeln. Da sind der Hobo, der Outlaw, der Prediger, der am eigenen Volk verzweifelnde und der Poet. Das kann man auch ohne Dylan verstehen und selbst dann funktioniert der Film perfekt durch seinen Stil und seinem kaleidoskopischen Schnitt. Und so findet der Regisseur genau die angemessenen Mittel um das brüchige, unstete Leben mit diesem sonderbaren Karriereverlauf darzustellen.
Ich verfolge Dylans Werke erst seit wenigen Jahren mit eher beiläufiger Sympathie und es finden sich vielleicht 6 oder 7 CDs in unserem Regalen. Ich mag einfach seine Songs und diese vielen Wendungen in seiner Laufbahn, die sich im Nachhinein für die immer schon besser Wissenden auch als Fehler darstellen mögen. So, what? Ich glaube, dass Dylan einfach die Gegenwart liebt und sich schnell langweilt. Daraus zieht er seine Schlüsse. Dylan versucht Herr seiner eigenen Biografie zu bleiben und bewahrt weitestgehende Unabhängigkeit von der Kulturindustrie. Den Film von Todd Haynes soll er gut finden.
Als er am Ende durch Cate Blanchet den Zuschauer direkt in die Augen blickt, war es endgültig um mich geschehen und man musste mich aus dem Kinosessel kratzen. An Schlaf war an diesem verzauberten Abend lange nicht zu denken.
(5 Sterne)
Ernste Warnung
Colonia (683), 05.03.2008
So ähnlich wie kinokoller ging's mir auch. Überwiegend Desinteresse, nur wenige erhellende und noch weniger erheiternde Szenen. Und eingeschlafen bin auch ich zwischendurch. Das wäre vielleicht in fittem Zustand nicht passiert. Wahrscheinlicher ist aber, dass es trotzdem passiert wäre.
Da traf es sich gut, dass nach unserer Vorführung gestern die Bob-Dylan-Gedächtnisfrisur Wolfgang Niedecken und Filmemacher Theo Roos Erklärendes, Analysierendes und Anekdotisches parat hatten.
Trotzdem: Nichts für mich, der Film. Spaß machen kann das nur demjenigen, der das komplette und unfassbar umfangreiche OEuvre Dylans, seine Geschichte und sämtliche Mythen und Legenden auf dem Schirm hat. Zu spät Geborene und Uneingeweihte: Finger weg!
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