Jerichow
D 2008, Laufzeit: 93 Min., FSK 12
Regie: Christian Petzold
Darsteller: Benno Fürmann, Nina Hoss, Hilmi Sözer, André Hennicke, Claudia Geisler, Marie Gruber, Knut Berger
Thomas, ein verschuldeter Ex-Soldat, trifft auf Ali, den Besitzer zahlreicher Imbissbuden. Ali gibt Thomas einen Job, Thomas verliebt sich daraufhin schon bald in Alis Frau Laura.
Bereits in seinem letzten Film „Yella“ hatte Christian Petzold auf einen alten Stoff zurückgegriffen, um von seinen Themen zu erzählen. Die Rahmenhandlung von „Yella“ basierte auf dem Horrorfilmklassiker „Carnival of Souls“. Für „Jerichow“ eignet er sich den Roman „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ an, der bereits dreimal verfilmt wurde, zuletzt 1981 mit Jack Nicholson. Die Vorlage zu „Yella“ war nicht so bekannt, das ist dieses Mal anders. Und schon wird sein Film vor allem an den vorherigen Verfilmungen gemessen. Dabei ist „Jerichow“ alles andere als ein Remake. Petzold macht etwas, was zum Beispiel im Theater ganz normal ist: Er nimmt einen Stoff, bearbeitet ihn auf der narrativen Ebene, indem er sich nimmt, was er braucht, und weglässt, was entbehrlich ist, um das Material unter einer neuen Perspektive zu beleuchten, bestimmte Aspekte herauszuarbeiten und überall Gegenwart und Lokalkolorit einfließen zu lassen. Die Eckdaten hierfür könnten heißen: Geld, Liebe, Arbeit und vielleicht noch Heimat – in einem abstrakten Sinn.
Drei Verlorene treffen in einer verlorenen Region aufeinander. Im Nordosten des Landes, in der Provinz, hat es der Deutsch-Türke Ali mit seiner Imbissbuden-Kette zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht. Damit hat er die hübsche, hochverschuldete Laura an sich gebunden. Thomas, der ehemalige Berufssoldat, ist ebenfalls verschuldet. Er ist gerade zurückgekehrt in das nun leerstehende Elternhaus. Die Mutter ist kürzlich gestorben. Als Thomas auf Ali und Laura trifft, entspannt sich eine Dreiecksbeziehung, die von emotionalen wie finanziellen Abhängigkeiten durchzogen ist. Dass sich hier ein Drama entspannen wird, ist vorhersehbar: Laura braucht Geld, Ali braucht seine Frau und Thomas braucht Geld und Alis Frau. „Man kann sich nicht lieben, wenn man kein Geld hat“ sagt Laura zu Thomas. Daher müssen sie nun alles daran setzen, an Geld zu kommen, um Ali zu entkommen und sich lieben zu können. Sie entwerfen einen folgenschweren Plan. Natürlich läuft alles anders, als erwartet.
Wie bereits der Vorgänger ist „Jerichow“ vom langjährigen Kameramann Petzolds – Hanns Fromm – ausgesprochen schön fotografiert und ruhig und mit Bedacht von Bettina Böhler, die auch schon bei „Yella“ sinnstiftend Zäsuren und Leerstellen einfügte, geschnitten. Die klare Schönheit des Films überdeckt die Kälte und Leere der Figuren jedoch nicht. Im Gegenteil: Sie lässt sie umso klarer erscheinen.
(Christian Meyer)
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