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Klassenfahrt
Deutschland 2002, Laufzeit: 86 Min., FSK 12
Regie: Henner Winckler
Darsteller: Steven Sperling, Sophie Kempe, Bartek Blaszczyk, Maxi Warwel, Jakob Panzek, Fritz Roth, Piotr Strzelecki, Marian Michalak

Ronny ist ein Aussenseiter, in seiner Klasse und im Leben. Der 16jährige Schüler ist auf Klassenfahrt in Polen und Regisseur Henner Winckler betrachtet sehr genau die Verhaltensweisen der Jugendlichen (Steven Sperling ist Laie wie die anderen Darsteller auch). Wie er alleine dasitzt, abgeschieden von den anderen, wie man ihn auf dem Balkon aussperrt, wie kleine Annäherungen fehlschlagen. Ohne Dialoge, ohne eine Vorgeschichte erfährt man aus einer Folge von Beobachtungen, wie stark dieser Junge gefährdet ist, wie hier eine Zeitbombe tickt. Da gibt es einen Moment der Wärme, wenn Ronny sich unaufdringlich zurückhaltend in das Mädchen Isa verliebt. Auch Isa (Sophie Kempe) befindet sich im Abseits. Alles, was geschieht, wirkt unauffällig, die Kamera (Janne Busse) beobachtet mit dokumentarischem Interesse, wie eine Fallstudie. Dabei versucht der Film keinen Moment, eine Spannungs- und Erwartungshaltung auf eine mögliche Katastrophe hin aufzubauen. Zu dieser kommt es schließlich völlig im Abseits, ohne Schaueffekt, ohne Sensation ­ und am Ende bleibt eine große Ratlosigkeit. "Klassenfahrt" ist ein kühler Film. "Sonnenschein-Reisen" heißt das Bus-Unternehmen, doch am tristen Ostseeband "Stettiner Haff" herrscht trübe Stimmung vor. Der Film gibt ein sehr genaues, schonungsloses Bild von deutschen Jugendlichen unserer Zeit. Ohne Vorzeichen hat eine Verhärtung, eine Gefühllosigkeit zugenommen, die ihre Auswirkungen ganz folgerichtig zeigen muss. Ohne dass hier Zeitereignisse wie die Schulkatastrophe von Erfurt angesprochen werden, kann ein solcher Film dazu helfen, solche Situationen zu verstehen und daraus Rückschlüsse zu ziehen. Wincklers Stärke liegt in der genauen Beschreibung der Details. Wie hier in wenigen stummen Bildern Kühle und Distanz gezeigt wird, ist meisterhaft, und wenn Ronnie schließlich seinen polnischen Rivalen zu jenem verhängnisvoll tödlichen Sprung von der Brücke in die Ostsee anstiftet, geschieht das alles so sensationslos, leise und unauffällig, dass nur eine große, sprachlose Leere zurückbleibt. Am Ende läßt die Kamera zwei junge Menschen hoffnungslos zurück, die sich und niemandem anders eine Antwort geben können.

(Heiko R. Blum)

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