Kriegerin
D 2011, Laufzeit: 102 Min., FSK 12
Regie: David Falko Wnendt
Darsteller: Alina Levshin, Sayed Ahmad, Jella Haase
>> www.kriegerin-film.de
Erschreckend glaubwürdiges Milieu-Drama
Blinde Wut
„Kriegerin“ von David Wnendt
Während die Taten der Zwickauer Terrorzelle die Schlagzeilen dominieren und das ganze Land erschüttern, hat Regisseur David Wnendt schon längst sein Spielfilmdebüt abgedreht. Für Fotostudien zu Industrieruinen war er 1998 durch Ostdeutschland gereist und dabei auf die dortigen rechtsradikalen Strukturen und ihre unverblümte Präsenz in der Öffentlichkeit aufmerksam geworden. Seine Beobachtungen motivierten Wnendt zu diesem Drama, für das er aufwändig recherchiert, die Cliquen aufgesucht und junge, rechtsextreme Frauen interviewt hat. Seine Protagonisten Marisa hat er aus den Lebensläufen dieser Frauen heraus entwickelt.
Marisa, beeindruckend verkörpert von Alina Levshin („Im Angesicht des Verbrechens“), ist zwanzig und arbeitet als Kassiererin in einer Gemeinde in Ostdeutschland. Für ihren todkranken Großvater, der wehmütig auf seine Nazi-Vergangenheit zurückblickt, ist sie seine Kriegerin. Marisa ist stolz auf ihr Land, das mit sich selbst im Krieg steht – „da ist alles erlaubt“. Mit ihrem Freund Sandro (Gerdy Zint) und dessen Clique richtet Marisa ihre Wut gegen alles Undeutsche, eine wilde Horde, die ihren blinden Hass mit Nazipropaganda nährt, die Fremde und Andersdenkende anpöbelt und zusammenschlägt. Eine Gemeinschaft aus Verlierern, die sich mit Hakenkreuz-Tattoos schmückt und ihre Hass-Parolen offen auslebt. So, wie es der Regisseur in Ostdeutschland erlebt hat. Alles wird anders, als Marisa einem jungen afghanischen Asylanten begegnet. Während die junge Frau von Selbstzweifeln befallen wird, sucht die 15jährige Svenja (Jella Haase) Zugang zur Clique.
David Wnendt beeindruckt vor allem damit, wie authentisch er den Alltag der jungen Protagonisten zeichnet. Wie er die Kamera durch die Wohnung streifen lässt, in der sich die Szene trifft, feiert, prügelt, besäuft, politisch weiterbildet; wie sich Marisa und Sandro nach der Randale lieben; wie sich hier Eltern und Kinder auseinanderleben – das ist so glaubwürdig gezeichnet, dass man es mit der Angst zu tun bekommt. Etwas problematischer verhält es sich mit der Dramaturgie. Die Läuterung der Heldin ist anfangs nicht zwingend nachvollziehbar; die Beweggründe, die die jungen Menschen an den rechten Rand drängten, können nur skizzenhaft und pauschalisiert dargestellt werden. Das ist aber weniger etwaigem Unvermögen zuzuschreiben als der Tatsache, dass ein Drama wie dieses vereinfachen, konstruieren, melodramatisch zuspitzen muss, wenn es in 100 Minuten eine fiktionale Geschichte aus dem Milieu erzählen und ein Lebensgefühl spiegeln möchte. Dass Wnendt dabei nicht in Klischees abrutscht, dass er hier vielmehr reflektiert darstellt, ohne zu verurteilen, dass er aus seiner Recherche einen Kinofilm stemmt, der berechtigt Angst schürt, emotional berührt, der einen beklemmenden Zustandsbericht liefert, all das demonstriert eine Reife, die für ein Debüt beachtlich ist. Seine Beobachtungsgabe, Leidenschaft und die Initiative, die er aus seinen Möglichkeiten heraus ergreift, sind darüber hinaus Mahnung und Vorbild für jeden einzelnen von uns.
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