Leaning into the Wind – Andy Goldsworthy
Deutschland 2017, Laufzeit: 97 Min., FSK 0
Regie: Thomas Riedelsheimer
>> www.leaning-into-the-wind.de/
In wunderbaren Bildern eingefangenes Künstlerporträt
Die Anmut der Vergänglichkeit
„Leaning into the Wind – Andy Goldsworthy“ von Thomas Riedelsheimer
Im Jahr 2001 arbeiteten der Dokumentarfilmer Thomas Riedelsheimer und der britische Land-Art-Künstler Andy Goldsworthy erstmals zusammen. Entstanden ist der Film „Rivers and Tides“. Das war lange vor den vielen ins Kino strömenden Naturdokus und zahlreichen „...von oben“-Erdoberfläche-Abfilmungen, die den Zuschauer mit bester Technik und neuen Kameraperspektiven ins Staunen versetzten. Was vielen dieser Filme ein wenig abging, war – abgesehen von einer Jetzt-mal-von-oben- oder Ganz-nah-dran-Überwältigungsästhetik – eine individuelle Erzählperspektive. Um die muss sich auch Regisseur Riedelsheimer nicht kümmern. Er kriegt sie von seinem Protagonisten frei Haus geliefert. Denn Andy Goldsworthy nimmt uns mit in die Natur und zugleich in seine Lebensphilosophie. Das war bei „Rivers and Tides“ so, und das ist auch gut 15 Jahre später bei der zweiten Zusammenarbeit nicht anders.
In „Rivers and Tides“ sahen wir, wie Goldsworthy demütig in die Natur eintaucht – in ihre Stille und ihre Kraft, ihre Langsamkeit und ihre Erhabenheit, und mit ihr arbeitet: Wachstum, Veränderung, Vergänglichkeit – das sind die Begrifflichkeiten, an denen er sich abarbeitet. Und wir sehen ihm dabei zu, wie er dabei immer wieder scheitert, bevor eine seiner temporären Skulpturen aus Stein, Eis, Blättern oder auch nur Farbe dann mal gelingt. Kann 15 Jahre später „Leaning into the Wind“ dem ersten Film etwas hinzufügen?
Zum einen: Riedelsheimer ist wieder eine visuell beeindruckende Dokumentation von Goldsworthys beeindruckender Arbeit gelungen. Was dieses Mal neu hinzu kommt, strömt aus den vergangenen Jahren in den Film. Zur Zeit des ersten Films war der Künstler 45 Jahre alt, nun ist er 60 und deutlich bekannter als Anfang der Nullerjahre. Während man in „Rivers and Tides“ einen Mann sah, der mit großem Sportsgeist gegen die Erdanziehungskraft angeht, ist er nun verletzlicher, etwas nachdenklicher und natürlich schlicht älter geworden. Während Goldsworthy an seinen Werken arbeitet, erzählt er freizügiger als zuvor auch von seinem Leben. Dass er den Tod seiner Ex-Frau verkraften musste, eine neue Lebensgefährtin gefunden hat, mehrfacher Vater ist und inzwischen seine älteste Tochter, die auch im Film zu sehen ist, immer häufiger an seiner Seite weiß. Sie unterstützt ihn bei Arbeiten und es deutet sich ein Generationenwechsel an. Düstere wie freundliche Gedanken durchkreuzen seine ehemals gelassene Haltung gegenüber der Vergänglichkeit in der Natur.
Auch seine eigene Vergänglichkeit wird Thema, wenn er über die Beschwerlichkeit seiner Arbeit spricht, über körperlichen Schmerz, wenn er, statt über einen Weg zu spazieren, durch die Hecke am Wegesrand klettert, um die Perspektive zu wechseln. Wenn er sich an einer Klippe in den Wind legt und von seiner Kraft getragen werden will, aber immer wieder umgepustet wird. Das hat trotz allem noch eine andere Qualität, die im ersten Film nicht so präsent war: Humor! Ein wunderschön gefilmter Blick auf einen Menschen und seine Kunst, die beide im engen Austausch mit allen Facetten des Lebens stehen.
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