Life is not a competition but I am winning
Deutschland 2023, Laufzeit: 79 Min.
Regie: Julia Fuhr Mann
Interessanter Dokumentarfilm
Verdrängte Sieger
„Life is not a competition but I am winning” von Julia Fuhr Mann
Sportberichterstattungen erfreuen sich im Fernsehen weltweit seit Jahrzehnten ungebremster Beliebtheit, zumal man dank entsprechenden Sponsorings hier jede Menge Geld umsetzen kann. Diese Massentauglichkeit hat allerdings schon früh dafür gesorgt, dass marginalisierte Körper dabei kaum vorkommen. Die Paralympischen Spiele, bei denen Sportler mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen gegeneinander antreten, können dabei auf eine vergleichsweise lange, fast 60jährige Geschichte zurückblicken. Aber was ist mit den SportlerInnen, die vielleicht nicht eindeutig einem der beiden weithin etablierten Geschlechter zuzuordnen sind? Julia Fuhr Mann blickt in ihrem Langfilmdebüt „Life is Not a Competition, But I’m Winning“ mit einem knappen Dutzend AthletInnen mit queerer Identität und/oder PoC-Hintergrund auf die Geschichte der Wettbewerbssportarten und der Olympiaden zurück. Dabei wird schnell deutlich, dass diese lange Zeit ausschließlich um männliche Helden kreisten. Noch bis 1928 war es Frauen beispielsweise nicht erlaubt, an 800-Meter-Rennen teilzunehmen – und nach einer einmaligen Ausnahmeregel in jenem Jahr wurde diese Disziplin dann für weitere 32 Jahre wieder aus den Wettkämpfen der Olympischen Spiele gestrichen. Immer wieder mussten sich Frauen, die für ihr Geschlecht angeblich zu gut waren oder zu männlich aussahen, diversen demütigenden Tests unterziehen – von Genitalabtastungen über Chromosomentests bis hin zur Messung von Testosteronwerten im Blut, die künstlich gesenkt werden müssen, falls sie zu hoch ausfallen.
Julia Fuhr Mann rekonstruiert den Goldmedaillensieg von Lina Radke 1928, dem medial keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt wurde, schildert das Schicksal von Sprinterin Stella Walsh, deren Intersexualität erst nach ihrem gewaltsamen Tod bekannt wurde und sie seitdem aus fast allen Sportchroniken verschwinden ließ. Aber man muss gar nicht Jahrzehnte in die Vergangenheit zurückgehen, um solche Diskriminierungen aufzudecken. Transfrau Amanda Reiter berichtet davon, dass ihr aufgrund ihrer sexuellen Identität eine Goldmedaille zunächst durch Manipulation streitig gemacht werden sollte, und bei der ugandischen Läuferin Annet Negesa wurden ohne deren Einverständnis Operationen durchgeführt, weil ihr Testosteronspiegel für eine Frau zu hoch war. Es ist etwas schade, dass Fuhr Mann in ihrem Film komplett auf Talking-Heads-Aufnahmen verzichtet und man diese Schilderungen lediglich aus dem Off oder in Totalen erlebt. Hier hätte man sich mitunter gewünscht, näher an den Berichtenden dran zu sein. Auch nicht alle zehn ProtagonistInnen werden näher vorgestellt, stattdessen werden sie mitunter in inszenierten Gruppenaktionen präsentiert. Das muss man mögen, aber davon abgesehen bietet dieser Film höchst interessante und spannende Einblicke hinter die Kulissen des Sportbusiness, die vielen fremd sein dürften. Es wäre zu wünschen, dass sich hier künftig einiges verändern wird.
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