Lion – Der lange Weg nach Hause
USA, Australien, Großbritannien 2016, Laufzeit: 119 Min., FSK 12
Regie: Garth Davis
Darsteller: Dev Patel, Rooney Mara, David Wenham, Nicole Kidman
>> www.lion-film.de
Sechsfach oscarnominiertes Schicksalsdrama nach wahren Ereignissen
Zwischen zwei Welten
„Lion – Der lange Weg nach Hause“ von Garth Davis
Im Moment, als der kleine Junge in den Zug steigt, ist man der Magie dieses Films längst verfallen. Nachts wacht der fünfjährige Inder Saroo auf einem stillen Bahnhof auf. Kurz auf eine Bank gelegt vom großen Bruder, der noch die leeren Waggons nach Essensresten absucht. Schläfrig steigt Saroo in ein Abteil, nickt dort wieder ein. Als er zu sich kommt, rattert der Zug dahin. Zweieinhalb Tage lang ist Saroo gefangen. Dann spuckt der Zug ihn in der Millionenstadt Kalkutta auf einen wimmelnden Bahnsteig aus, tausende Kilometer von Zuhause entfernt.
Was dem folgt, gehört zu den bewegendsten Kinogeschichten des Jahres. Und sie ist wahr: 2012 wanderte Saroo Brierleys Heimkehr als „Google Earth-Wunder“ durch die Weltpresse. Das für sechs Oscars nominierte Epos „Lion“ erzählt, wie Saroo 1986 zwei Monate allein in den Slums von Kalkutta überlebte, bevor er von einem australischen Ehepaar (Nicole Kidman, David Wenham) adoptiert wurde. 25 Jahre später suchte Saroo (Dev Patel) sein Heimatdorf – und fand die Nadel im Heuhaufen dank des damals brandneuen Google Earth.
Bis es so weit ist, führt „Lion“ durch eine Odyssee, deren aufwühlende erste Hälfte die Slumszenen von Danny Boyles „Slumdog Millionär“ zuweilen aussehen lässt wie einen Schulausflug. Nach Wochen auf Müllhalden und unter Brücken wird Saroo (als Kind gespielt von Sunny Pawar) in ein Waisenhaus gekarrt, später in ein Flugzeug. Dann steht er im Wohnzimmer seiner hellhaarigen, lächelnden neuen Eltern und betastet stumm den Fernseher.
Basierend auf Brierleys Autobiographie „Mein langer Weg nach Hause“ zeichnen Davis und sein Drehbuchautor Luke Davies („Life“) ein grell getöntes Indien voll Armut und Kriminalität. Im krassen Gegensatz dazu inszenieren sie Saroos zweites Leben, als sicheren Ort in ruhigen Farben, aber auch als Kokon, aus dem er ausbrechen muss, um sich selbst zu finden. Ein bärtiger und charismatischer Dev Patel, nicht mehr als der schmale „Slumdog“-Bengel wiederzuerkennen, verdient sich eine Oscarnominierung als vermeintlich eingemeindeter Australier, der nach einem indischen Dinner bei Freunden plötzlich zusammenbricht. Alte Bilder, wie das Gesicht seiner Mutter, drängen mit Macht in Saroos Bewusstsein. Monatelang kritzelt Saroo manisch Berechnungen auf Landkarten, mit denen er seine Zimmerwand voll pinnt. „Lion“ bebildert auch die Zerrissenheit eines zwischen zwei Kontinenten, Kulturen und Müttern gefangenen Mannes, der glaubt, sich entscheiden zu müssen. Zu Unrecht, wie Nicole Kidman irgendwann in einem wunderbaren Monolog klarmacht, der auch ihr eine Oscarnominierung einbrachte.
Am Ende steht Saroo wieder am Eingang seines Dorfes, voll Angst vor dem, was er finden oder vielleicht nicht finden wird. Jeden Schritt bis hierher ist man fiebernd mit ihm gegangen.
(Renée Wieder )
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