Loving Vincent
Großbritannien, Polen 2017, Laufzeit: 95 Min., FSK 6
Regie: Dorota Kobiela, Hugh Welchman
Darsteller: Douglas Booth, Chris O'Dowd, Saoirse Ronan
>> www.lovingvincent-film.de
Faszinierender Animationsfilm
Kriminalfall van Gogh
"Loving Vincent" von Dorota Kobiela und Hugh Welchman
Interview mit Regisseur Hugh Welchman
In Zeiten volldigitalisierter Animationsfilme sind jene Werke selten geworden, die im Vor-Computerzeitalter den größten Teil dieses Genres ausmachten. Umso erfreulicher ist es, dass auch heute noch immer wieder mal Filmemacher auf Handgezeichnetes setzen und ihr Publikum mit diesem viel persönlicheren und durch die mangelnde Perfektion auch viel charmanteren Stil zu überraschen und begeistern verstehen. „Loving Vincent“ von Dorota Kobiela und Hugh Welchman ist auf eine ähnliche Weise entstanden, wie die Animationsfilme des US-Independentregisseurs Richard Linklater („Waking Life“, „A Scanner Darkly – Der dunkle Schirm“), nämlich mit dem Rotoskopieverfahren. Dabei werden zunächst die Szenen als Realfilm mit Schauspielern aufgenommen und anschließend von Hand Bild für Bild überzeichnet. Im Falle von „Loving Vincent“ hat man bei diesem Übermalen allerdings Wert darauf gelegt, den Stil des porträtierten Künstlers, also Vincent van Gogh, so originalgetreu wie möglich nachzuahmen. Auf diese Weise mutet der Film wie ein in Bewegung versetztes Gemälde des holländischen Meisters an. Man hat so viel Liebe und Detailbesessenheit aufgebracht, dass von der Perspektive über die Farben bis hin zur Textur alles zu stimmen scheint und der Zuschauer mit jedem neuen Tableau und jeder neuen Einstellung faszinierter ist als von der davor.
Die Handlung setzt ein Jahr nach dem gewaltsamen Tod Vincent van Goghs ein. Armand Roulin (Douglas Booth) erhält von seinem als Postmeister tätigen Vater, der mit dem Maler befreundet war, einen Brief, den dieser an seinen Bruder Theo gerichtet, aber nicht abgeschickt hatte. Roulin versucht nun, Theo van Gogh ausfindig zu machen und ihm den Brief doch noch zuzustellen. Schon bald muss er allerdings erfahren, dass auch Theo nicht mehr am Leben ist. An van Goghs Sterbeort Auvers-sur-Oise begibt er sich auf Spurensuche, um die richtige Person zu finden, der er den Brief übergeben kann. Eher zufällig beginnt Roulin dabei auch, die Umstände von van Goghs Tod zu hinterfragen und mit den Menschen darüber zu sprechen, die ihn zu Lebzeiten noch kannten. So entfaltet sich eine kriminalistische Theorie, bei der Roulin den vermeintlichen Selbstmord des depressiven Künstlers zunehmend in Frage zu ziehen beginnt.
Anfangs ist man sicherlich zunächst einmal dermaßen fasziniert von der ungewöhnlichen Machart dieses Films, dass man zu entschlüsseln versucht, wie die Filmemacher dies vollbracht haben und sich auch immer wieder von kleineren gestalterischen Details ablenken lässt. Aber die Befürchtung, dass die Geschichte aufgrund der äußeren Form des Films in den Hintergrund rücken könnte, bewahrheitet sich nicht. Je weiter „Loving Vincent“ voranschreitet, desto mehr ist man von der kriminalistischen Geschichte gefesselt, die auch als herkömmlicher Spielfilm ausgezeichnet funktionieren würde. In diesem Fall wird sie aber durch die ungewöhnliche Form noch zusätzlich bereichert.
Shanghai 2017: bester Animationsfilm. Annecy 2017: Publikumspreis
(Frank Brenner)
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24