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Meeresfrüchte
Frankreich 2005, Laufzeit: 90 Min.
Regie: Olivier Ducastel, Jacques Martineau
Darsteller: Valeria Bruni-Tedeschi, Gilbert Melki, Jean-Marc Barr, Jacques Bonnaffé, Edouard Collin, Romain Torres, Sabrina Seyvecou, Yannich Baudin, Julien Weber

Wer kann sich nicht in die Lage hineinversetzen, wenn Eltern plötzlich entdecken, dass die Kinder flügge werden? Die Tochter springt lieber auf den Soziussitz ihrer neuesten Eroberung als auf Vaters Schoß, und der Sohn scheint eher den Jungs zugetan zu sein. Aber man ist ja tolerant. Und so machen Beatrix (Valeria Bruni-Tedeschi) und Marc (Gilbert Meki) gute Miene zum irritierenden Spiel, als die 19jährige Laura (Sabrina Seyvecou) spontan die gemeinsame Idylle zwecks Liebesabenteuer in Portugal verlässt und der 17jährige Sohnemann Charly (Romain Torres) ein verdächtig enges Verhältnis zu seinem mitgereisten Freund Martin (Edouard Collin) hat. Was sich in kühleren (Film-)Gefilden vielleicht zu einer ausgewachsenen Familien-Tragödie entwickelt hätte, entwickelt sich unter dem Einfluss von Sonne, Strand und mediterranen Schlemmereien zu einem turbulent-heiteren Liebes- und Gefühlsreigen. Wir sind schließlich im französischen Kino, wo die Libertinage, die "amour fou" und die "menage a trois" immer schon Tradition hatte. Und so bricht Mutters offensichtlich langjähriger Liebhaber Mathieu (Jacques Bonnaffé) auch nicht wie ein Störenfried in die Ferien-Idylle ein, um Beatrix zu einem Quickie hinter die Felsen zu ziehen, während Marc am Strand literarischen Freuden frönt - es ist nur die Fortsetzung des ganz normalen Alltags. Den setzen auch Marc und Beatrix mit gepflegtem Ehe-Sex fort, wie auch der alltägliche Streit um das rationierte heiße Duschwasser ritualisiert scheint. Natürlich gehört bei den Franzosen auch das gute und ausgiebige Essen zu diesem Kanon angenehmer Gewohnheiten. Und da die zart-violetten Austern nicht nur den Gaumen verwöhnen, sondern auch die erotischen Phantasien beflügeln, liegt über dem Haus am Meer immer ein Hauch von Sinnlichkeit. Das Regie- und Autorenpaar Olivier Ducastel und Jacques Martineau hat die französische Komödienlandschaft gut studiert. Hier ein bisschen von der "Utopie der Liebe" eines Francois Truffaut, dort ein wenig von den "moralischen Komplikationen" eines Eric Rohmer, und auch ein paar Anklänge an die Renaissance des französischen Musicals, das einst Jacques Demy auf den Weg gebracht hatte, findet man in dieser Komödie. Wo man im deutschen Film vielleicht ein gemeinsames Wanderlied angestimmt hätte, versammelt sich die französische Familie zu einer Variete-reifen Gesangseinlage im Treppenhaus und zum Finale in einer lauen Sommernacht auf der Terrasse. Aber trotz aller Künstlichkeit wirkt das nicht aufgesetzt, sondern eher wie ein Ausdruck überschäumender Lebensfreude. Genauso wie sich der Zitatenschatz der Filmemacher nicht als Plagiat entpuppt, sondern als liebevolle Hommage, der man durchaus neue Reize abgewinnen kann. Dass man schließlich gutgelaunt das Kino verlässt, liegt natürlich auch an dem wunderbaren Darsteller-Ensemble mit seiner überbordenden Spiellaune. Vor allem an der spröden Sinnlichkeit von Valeria Bruni-Tedeschi kann man sich kaum satt sehen. Und Gilbert Melkis Versuch, Machotum und Verklemmtheit unter einen Hut zu bringen, ist genauso komisch wie anrührend. Ganz zu schweigen von Jacques Bonnaffé als Liebhaber, der trotz aller Verrücktheiten eher wie ein langweiliger Versicherungsvertreter denn ein romantischer "Beau" wirkt. Dass der schöne, homosexuelle Klempner (Jean-Marc Barr) schließlich nicht nur den Warmwasser-Speicher repariert, sondern dem Familienleben auch ein Happy-End der besonderen Art beschert, ist ein weiteres Bonbon dieser federleichten, aber niemals leichtgewichtigen Sommerkomödie, die sexuelle Identitätspolitik so spielerisch thematisiert, wie es selten im Kino geschieht.

(Rolf-Ruediger Hamacher)

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