Metropolis (restaurierte Fassung)
Deutschland 1927, Laufzeit: 152 Min., FSK 6
Regie: Fritz Lang
Darsteller: Brigitte Helm, Alfred Abel, Gustav Fröhlich, Rudolf Klein-Rogge, Fritz Rasp, Theodor Loos, Erwin Biswanger, Heinrich George, Olaf Storm
>> wwws.warnerbros.de/metropolis
Klassiker der Filmgeschichte im „Director's Cut“
Zelluloid-Archäologie
„Metropolis“ von Fritz Lang
Fritz Langs gigantisches Werk „Metropolis“ von 1927 gilt schon lange als Klassiker der Filmgeschichte, wurde aber immer auch kontrovers diskutiert. Anerkennung findet vor allem die visuelle und technische Machart, Kontroversen werfen die Handlung und ihre Ideologie auf. Das war seinerzeit nicht anders. Der Film fiel bei Publikum wie Kritik durch und lief nur kurz im Kino. Fünf Monate später kam er abermals ins Kino, war da aber bereits auf Basis einer amerikanischen Verleihversion um über 30 Minuten gekürzt. Die folgende Geschichte des Films, mit etlichen Versionen in den unterschiedlichsten Längen bis hin zu Giorgio Moroders 80 minütiger Popversion von 1984, ist abenteuerlich und führt fast über den gesamten Erdball. Die Wiederaufführung in der aktuellen, 145minütigen Version kann man guten Gewissens als Kinoneustart behandeln. Denn in der, nach dem sensationellen Fund von gut 30 Minuten neuen Materials in Argentinien, restaurierten Version, die auf der letztjährigen Berlinale gezeigt wurde, ist erstmals seit über 80 Jahren wieder annähernd die 153minütige Premierenfassung zu sehen.
Die Story verliert auch nach einer Neusichtung nicht seinen unangenehmen (Bei-)Geschmack. Das emotionale Science-Fiction Drama erzählt im einstündigen „Auftakt“ nachvollziehbar vom Konflikt zwischen der geknechteten Arbeiterschaft und dem rücksichtslosen Großunternehmer. Doch mit dem Erfinder Rotwang und seiner intriganten Mensch-Maschine als Ebenbild der Arbeiterführerin Maria entfaltet sich der Antisemitismus und Antikommunismus von Drehbuchautorin Thea von Harbou, seinerzeit Fritz Langs Ehefrau. Am Ende erscheint Rotwang, der als Katalysator für den Grundkonflikt dient, als dessen Urheber, während seine wild gewordene Erfindung den Klassenkampf diskreditiert. Ohne sie steht einer Versöhnung von Arbeitern und Unternehmer mit Hilfe von Freder und Maria als Vermittler nichts mehr im Wege: „Der Mittler zwischen Hand und Hirn ist das Herz“.
Fritz Lang hat sich immer schon vorrangig für Bilder interessiert. Sein Umgang mit den fragwürdigen Aussagen des Films muss man im Gegensatz zu von Harbou, die bei den Nazis Karriere machte, angesichts seiner frühen Ablehnung des deutschen Faschismus unter mildernden Umständen betrachten. Schon 1933 ist er emigriert und den „Metropolis“ zugrunde liegenden Sinnspruch kommmentierte er später mit den Worten: „Man kann keinen gesellschaftlich bewußten Film machen, indem man sagt, der Mittler zwischen Hand und Hirn sei das Herz … dass ist ein Märchen ... Aber ich interessierte mich für Maschinen“, ergänzte er noch. Und hier ist der Film tatsächlich und auf allen Ebenen überwältigend. Einerseits in Bezug auf das Setting, das mit seinen von New York und anderer Gegenwartsarchitektur inspirierten Wolkenkratzern, edlem Art Deco, vorweggenommenen Erfindungen wie dem Bildtelefon eine Welt erschaffte, die sich in den nachfolgenden Jahrzehnten tief in das (pop-)kulturelle Erbe eingebrannt hat und an allen möglichen Stellen ihren Widerhall findet. Auch wenn man „Metropolis“ noch nie gesehen hat, kennt man die Bilder dieses Films, der als erster Eingang in das Unesco Weltdokumentenerbe gefunden hat.
Überwältigend ist der Film auch in Bezug auf die filmtechnischen Errungenschaften. Die visuellen Effekte im Film waren seinerzeit revolutionär, und das ist auch heute noch ohne weiteres erkennbar. In vielen Szenen findet man den Einfluss des zeitgenössischen Experimentalfilms wieder. Langs Leistung, die in abstrakten Zusammenhängen entwickelten Techniken und Tricks mit Hilfe seiner Kameramänner und Tricktechniker – Karl Freund und Günther Rittau – in effektiver Art dramaturgisch in die Handlung einzubauen, ist nicht zu unterschätzen. Einige Techniken wurden eigens für den Film entwickelt.
So verstaubt der Film mit seinem theatralisch-überzogenen Schauspiel und der flachen Psychologisierung der Figuren heute wirkt, so modern und kühn ist das Setting und die visuelle Gestaltung mit einem zeitweise überraschend schnellen, dynamischen Schnitt in den „Action-Szenen“ noch heute. Durch das in Argentinien wiedergefundene Material gewinnt gerade die Dramaturgie, werden doch die in früheren Schnittfassungen stark verkürzten Nebenhandlungen gestärkt. Nun ist erkennbar, dass die Story wesentlich komplexer angelegt war und neben die zentrale Liebesgeschichte treten Motive wie Freundschaft und Rivalität, Verrat und Rache.
Einen Film wie Fritz Langs „Metropolis“ an prominenter Stelle zu empfehlen, heißt nicht, ihn bedingungslos zu verteidigen. Es heißt aber, eine Auseinandersetzung mit dem Film bedingungslos zu empfehlen. Dabei kann die Faszination für den filmhistorischen Wert, den er mit seiner technischen und künstlerischen Umsetzung sicherlich beanspruchen kann, ruhig im andauernden Widerspruch mit seiner fragwürdigen Ideologie bleiben.
(Christian Meyer)
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24