Mutter und Sohn
Rumänien 2013, Laufzeit: 112 Min., FSK 12
Regie: Calin Peter Netzer
Darsteller: Luminita Gheorghiu, Bogdan Dumitrache, Florin Zamfirescu
>> www.mutterundsohn.x-verleih.de/
Nervenaufreibendes Mutter-Sohn-Drama
Übergriffig
„Mutter und Sohn“ von Călin Peter Netzer
Cornelia gehört der rumänischen Oberschicht an. Mit Pelzmantel und BMW kutschiert sie durch die Gegend, und sie benimmt sich so, als gehörte ihr die Welt. Die erfolgreiche Architektin ist es gewöhnt, dass sich alles nach ihr richtet. Ihr Mann ist längst weg, zu spüren bekommt ihr Verhalten jetzt ihr Lebensgefährte und immer noch ihr schon lange erwachsener Sohn. So mischt sich Cornelia auch massiv in das Familienleben des 30Jährigen ein. Keine Frage: Cornelia ist massiv übergriffig, manipulativ und egomanisch. Und sie kommt damit durch. Deswegen ist es für sie eine Selbstverständlichkeit, dass alles immer so läuft, wie sie will. Auf der Polizeiwache lauscht sie an der Tür, während ein Polizist ein vertrauliches Gespräch führt. Sie lässt sich die Aussage ihres Sohnes Barbu vorlesen, und fordert schließlich das Blatt, um es selber lesen zu können. Sie diskutiert mit den Polizisten den Tathergang, und schließlich besteht sie darauf, dass ihr Sohn seine Aussage dergestalt ändert, dass er als unschuldig gelten kann: Er soll statt der 140 km/h lieber die zugelassenen 110 km/h eintragen. Das alles geschieht vor den Augen der protestierenden Polizisten. Wenn sie später für einen Kondolenzbesuch bei der Familie des Unfallopfers auftaucht, dann vor allem, um die Familie zu bitten, die Anzeige gegen ihren Sohn zurückzunehmen. Dass sie zwischendurch tatsächlich von Mitleid geschüttelt wird, aber immer wieder das Leid ihres Sohnes als Unfallverursacher in die Waagschale wirft, macht die Szene nur noch schwerer erträglich. Nein, schön ist der Film nicht: Călin Peter Netzer ist kein Ingmar Bergman, bei dem sich die Menschen in schönsten, symbolträchtigen Einstellungen psychisch zerfleischen. Bei Netzer ist das Hässliche hässlich. Das gilt ebenso für die visuelle wie für die narrative Ebene. Die Mutter nervt nicht lustig, und sie nervt auch nicht melodramatisch – sie nervt einfach.
Netzer steht deutlich in der Tradition des jüngeren rumänischen Kinos, das solche Filme wie den Cannes-Gewinner von 2007 „4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“ von Cristian Mungiu hervorgebracht hat. Mungiu war der erste rumänische Gewinner der Goldenen Palme. Luminita Gheorghiu, die Darstellerin der Cornelia, spielte hier mit, Netzers Drehbuchautor Răzvan Rădulescu stand damals beratend zur Seite. Auch Mungius Film über die Folgen eines illegalen Schwangerschaftsabbruchs sieht alles andere als schön aus. Und auch „Police, adjective“ von Corneliu Porumboius, der letzte rumänische Film, der in den deutschen Kinos lief, war gleichsam von der Langsamkeit wie von der Trostlosigkeit des Alltags geprägt. „Mutter und Sohn“ ist das eindrucksvolle Psychogramm einer Frau, ihrer Beziehung zu dem Sohn und dem restlichen Umfeld. Es ist auch das Psychogramm eines ganzen Landes. Denn was zunächst wie eine persönliche, von autobiografischen Aspekten des Regisseurs geprägte Geschichte wirkt, hat natürlich auch seine gesellschaftliche und politische Komponente. Alleine wenn man sieht, wie Cornelia (Luminita Gheorghiu) auf der Polizeiwache versucht, die Regie zu übernehmen, wird vieles klar.
Berlinale 2013: Goldener Bär
(Christian Meyer)
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24