Nichts zu verzollen
F 2010, Laufzeit: 108 Min., FSK 12
Regie: Dany Boon
Darsteller: Dany Boon, Benoît Poelvoorde, Julie Bernard, François Damiens, Karin Viard
>> www.nichts-zu-verzollen.de
Belgisch-Französische Patrioten-Posse
Grenzdebil
„Nichts zu verzollen“ von Danny Boon
Europa ist vereint – die Grenzen sind geöffnet! Dass dem Sachverhalt allerlei Skeptiker kritisch gegenüber stehen, ist nicht erst vereinzelten Staatspleiten geschuldet. Denn echten Patrioten geht es nicht um spontane Notlagen, sondern ums Prinzip. Und im Prinzip ist eine Grenze nichts anderes als eine wertvolle Hinterlassenschaft der Ahnen, vor allem aber ein Wall gegen Barbaren und von daher eine sehr vernünftige, ja existenzielle Einrichtung, die es zu wahren und verteidigen gilt. So sieht das zumindest der belgische Zollbeamte Ruben (Benoît Poelvoorde), der in seinem Dörfchen Courquain mit vollem Übereifer die Grenze nach Frankreich sichert. Etwaiger Kritik entgegnet er schlagfertig verklärt: „Wir sind überlegen, nicht überheblich!“ Als die Umstrukturierungen der Europäischen Union greifen, ist plötzlich sein Posten in Gefahr: Stationären Grenzkontrollen droht das Aus. Als wäre das nicht schon schlimm genug, soll Ruben in Zukunft mobile Kontrollen durchführen – in Begleitung des französischen Zollbeamten Mathias (Dany Boon). Der ist prinzipiell nicht minder patriotisch eingestellt, muss sich allerdings zügeln, weil er ein Auge auf Rubens Schwester (Julie Bernard) geworfen hat.
Regisseur Dany Boon hat sich auf Komödien eingeschossen, die sich genüsslich am Aufeinandertreffen kultureller Unterschiede reiben. Nach seinem auch in Deutschland erfolgreichen „Willkommen bei den Sch’tis“, in dem es noch der Südfranzose war, der auf die Nordfranzosen trifft, gestaltet sich das Ganze hier nun länderübergreifend und so für den internationalen Betrachter noch zugänglicher. Die Idee mag nicht originär sein, umso erfreulicher aber ist, wie erfrischend Boon an seine Geschichte herangeht. Denn neben zynischen Wortgefechten scheut der Franzose in seinem heiteren Camembert-Fritten-Duell auch den Klamauk nicht. Temporeich prallen hier Slapstick, Wortwitz, Vorurteile, schrullige Figuren und vor allem Zitate aufeinander, die bis in die 70er Jahre zurückreichen, in denen Louis de Funès noch als uneinsichtiger, hitzköpfiger Streifenpolizist auf Touristen und Landsleute losgelassen wurde. Vergleichbar cholerisch geben sich die Kindsköpfe in diesem Streifen – und ebenso französisch charmant. Boon gelingt somit nicht nur eine freche Posse, er verneigt sich zugleich vor seinen Vorbildern und zeigt, wie unbeschwert gutes Mainstream-Kino sein kann.
Eine freche, unterhaltsame, bewusst trashige Stunde der Patrioten, mitunter auch mal überzogen, aber durchgehend souverän gestemmt von den beiden Hauptdarstellern, von denen vorneweg Benoît Poelvoorde („Mann beißt Hund“, „Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft“) überzeugt. Und dass der Film am Ende Toleranz huldigt, ohne predigen zu wollen, und dabei verblendetem Nationalstolz entsprechend an den Kahn fährt, ist eine sympathische Randerscheinung.
(Hartmut Ernst)
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