O Brother, Where art Thou?
USA 2000, Laufzeit: 106 Min., FSK 12
Regie: Joel Coen
Darsteller: George Clooney, John Turturro, Tim Blake Nelson, John Goodman, Holly Hunter, Chris Thomas King, Charles Durning, Del Pentecost, Michael Badalucco, J. R. Horne
Everett Ulysses McGill (George Clooney) ist eindeutig der Anführer. Delmar (Tim Blake Nelson) und Pete (John Turturro) sind immer wieder erstaunt, wie klug und bezwingend der schöne Kerl, der größten Wert auf sein Äußeres legt, daherreden kann. Kein Wunder, denn die Figur ist nach dem Vorbild des intelligentesten und listigsten Mannes der Antike gestaltet: nach Odysseus, dem Veteranen des Trojanischen Krieges, dessen Reise nach Hause Homer 700 v. Chr. in seinem Epos beschrieben hat.Die Geschichte dieser Drei ist allerdings im amerikanischen Süden während der Depressionszeit angesiedelt. Sie sind Sträflinge auf der Flucht, und die Abenteuer, die sie zu bestehen haben, sind - mit gewissen Abstrichen, die sich aus Ort und Zeit der Handlung ergeben - durchaus mit den Herausforderungen zu vergleichen, die die antiken Reisenden zu bestehen hatten. Da gibt es blinde Seher, Frauen, die sie verführen wie Sirenen, da ist mit einem einäugigen Riesen zu kämpfen, und auch der neue Ehekandidat für Everetts verflossene Gattin Penny muss (wie die Freier der alten Penelope) erst einmal aus dem Weg geschafft werden.Virtuos, wie die Coen-Brüder ("Fargo", "The Big Lebowsky") in ihrem neuesten Geniestreich das alte Material für eine neue, völlig eigenständige Geschichte nutzen. Und absolut brillant, wie es ihnen gelingt, das Zeitkolorit, die Atmosphäre der Epoche, die Musik dieser Zeit und dieses Landstriches zu einer fesselnden Parabel über menschliches Schicksal, politische Macht und den Triumph der List über dumpfe Gesinnung und falsche Propheten zu verwandeln: eine hinreißende Satire und eine wunderbares 'road movie' über Ausgestoßene und Heldengestalten zugleich. Zum Glück nämlich treffen die drei auf einen schwarzen Gitarrenspieler und geraten, um an etwas Geld zu kommen, in einen obskuren ländlichen Radiosender, wo sie zusammen ein flottes Hillbilly-Stück aufnehmen (natürlich kann Odysseus auch singen). Während sie weiter auf der Flucht sind, wird das Lied ohne Wissen der von Polizei, Menschenjägern und Klu-Klux-Klan Verfolgten zum Hit bei den Radiohörern. Am Schluss ist es, neben einigen bestandenen Abenteuern und unerwarteten Wundern, genau ihre Popularität und Medienwirksamkeit, die ihnen zur endgültigen Rettung verhelfen. Everett Ulysses erscheint in der augenzwinkernd-witzigen Sichtweise der Coen-Brüder ganz nebenbei als Erfinder des modernen Entertainments und dessen politischer Wirkung. Volksverdummung oder Befreiung aus den Fesseln miefiger Weltanschauungen? Dem gerissenen Blender und seinen treuen Kumpanen ist das ziemlich egal, wenn sie am Ende nur ihre Haut gerettet haben. Und seine Braut hat der unbeirrte Kämpfer gegen die Skylla der Dummheit und der Charybdis des Eigennutzes auch zurückerobert. O Bruder, wer bist Du? Eitles Blendwerk ist die menschliche Existenz. Wie um der Ironie des Werks seine ästhetische Weihung zu geben, haben sich die Filmemacher einen besonderen Clou ausgedacht. Zum ersten Mal ist ein ganzer Film in ein digitales Format umgewandelt worden, um die visuellen Effekte sozusagen Bild für Bild beeinflussen zu können. Das Grün der Sümpfe Louisianas etwa ist einem sandigen, wie vom goldenen Licht der untergehenden Sonne überglänzten Farbton gewichen. So ist Szene für Szene eine markante Bildgestaltung erarbeitet worden, die dem Film eine subtile Künstlichkeit verleiht: ein Reflex der Tiefendimension der erzählten Geschichte. Eine solch überzeugende Übereinstimmung von inhaltlicher und formaler Ebene ist im modernen Kino von absolutem Seltenheitswert. Aber keine Bange: das Vergnügen beim Sehen wird dadurch absolut nicht geschmälert.
(Heinz Holzapfel)
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