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Paranoid Park
Frankreich/USA 2007, Laufzeit: 85 Min., FSK 16
Regie: Gus van Sant
Darsteller: Gabe Nevins, Daniel Liu, Taylor Momsen, Jake Miller, Lauren McKinney, Winfield Jackson, Joe Schweitzer, Grace Carter

Alex ist Skater. Nach einem Abend im Skatepark verschuldet er einen tödlichen Unfall. Mit Schuldgefühlen und Angst vor Entdeckung belastet kapselt er sich ein. Weder mit seinen Eltern noch mit seinen Freunden kann er reden. Derweil ermittelt die Polizei …

Es ist gleichermaßen erstaunlich wie beeindruckend, mit welcher Konsequenz sich Gus van Sant nach großen kommerziellen Erfolgen wie „To die for“ mit Nicole Kidman, „Good Will Hunting“ mit Robin Williams oder „Finding Forrester“ mit Sean Connery in den letzten Jahren den ökonomischen Zwängen wieder entzogen hat. Vier visuell wie narrativ außergewöhnliche Filme hat er zuletzt gemacht: „Gerry“, „Elephant“, „Last Days“ und nun „Paranoid Park“. Alle handeln im weiteren Sinn vom Tod unter Teenagern. Alle bestechen durch eine sehr eigene Ästhetik. „Last Days“, van Sants implizite Annäherung an die letzten Tage von Kurt Cobain, konnte man in seiner ästhetischen Radikalität auch als Experimentalfilm lesen. Gus van Sants Karriere als Regisseur vollzieht damit einen Kreis: Er landet ökonomisch in der Independent-Nische, aus der er vor über 20 Jahren kam. Ästhetisch ist er ähnlich unabhängig wie in seinem ersten Film „Mala Noche“ von 1985, der beim Kritikerpreis in Los Angeles bereits in der Zwitterkategorie „Bester Independent-/Experimentalfilm“ gekürt wurde. Thematisch blieb er hingegen fast immer bei seinem Thema: Im Zentrum seiner Filme stehen stets Jugendliche.

Die Handlung ist schnell erzählt: Der wortkarge Alex schleicht nachts auf den ominösen Skatertreff Paranoid Park. Dort nimmt ihn ein älterer Skater mit auf einen Trip zu den Bahngleisen. Als sie entdeckt werden, hat das tödliche Folgen. Schon bald tritt die Polizei auf den Plan und hat die Skaterszene um Alex im Visier. Gus van Sant geht es aber natürlich nicht um diese Kriminalgeschichte. Er interessiert sich für die Psyche des Jungen. Mit Schuld beladen und leerem Blick schleicht er umher, unfähig, mit seinem Problem nach außen zu treten. Mit seinen Freunden kann er nicht reden, und die Erwachsenenwelt ist schon gar nicht als Gesprächspartner denkbar. Mutter und Vater leben in Trennung und sind vor allem mit sich selbst beschäftigt. Sie tauchen im Film ebenso selten auf wie der Rest der Erwachsenenwelt: Im Skatepark ist die natürlich nicht, aber auch in den restlichen Szenen bleiben Leerstellen. Wenn sich die Jungs in den Elternhäusern treffen, fehlen die Eltern meist. Alleine der ermittelnde Kommissar ist präsent und stellt vor allem eine Gefahr dar – wenn auch eine freundliche.

Bei all der Fixierung auf die Jugend ist Gus van Sant weit davon entfernt, sie eindimensional zu idealisieren. Die Gespräche zwischen den Teenagern erscheinen fade. Mit seiner Freundin Jennifer verbindet Alex nur wenig. Warum er mit ihr zusammen ist, weiß er selber nicht. Nur Macy scheint in seinen Blicken die Verzweiflung und Verlorenheit zu lesen. Sie ist es schließlich, die Alex vorschlägt, seine Last niederzuschreiben. Die Erzählstruktur des Films ist durch Alex’ Erinnerungsarbeit beim Schreiben vorgegeben.

Van Sant erzählt wie schon in seinen letzten Filmen elliptisch und umkreist die Chronologie so lange, bis die Gefühlswelt des Protagonisten vor einem liegt wie ein frisch ausgepacktes Puzzle.

Ein Gegenbild zu den schlichten Alltagszenen, die mitunter durch Zeitlupe in ihrer Schwere unterstrichen werden, bilden die Szenen im Skatepark, die die Romantik, die Freiheit und die Schönheit der Jugend zelebrieren. Christopher Doyle, Wong Kar-Wais langjähriger Kameramann, der im Film einen Cameo-Auftritt als Onkel Tommy hat, verfolgt die Skater auf ihrem Parcours mit der Super 8 Kamera. Grobkörnig, im verträumten Gegenlicht, in schwereloser Zeitlupe und unterlegt mit schwebenden Soundscapes feiert der Film hier die Jugend und die Subkultur. Auf dieser Ebene und abseits der Erwachsenenwelt scheint diese Welt schlüssig. Sie gehorcht ganz eigenen Regeln und Codes.

Man kommt kaum umhin, Gus van Sants jüngere Filme mit dem Werk von Larry Clark zu vergleichen: Beide Regisseure widmen sich auf ihre sehr eigene Art dem Thema Jugend. Beide arbeiten mit Laiendarstellern. Sogar im Topos des Skatens treffen sie sich: Clarks letzter Film „Wassup Rockers“ begleitete eine junge Skaterclique durch ein befremdliches L.A., der Vorgänger „Ken Park“ hat nicht nur seinen Titel auch von einem Szenetreff der Skater entliehen, sondern kreist ebenfalls um einen Todesfall. Sowohl Clark als auch van Sant umgehen klischeebesetzte Soundtracks (in „Paranoid Park“ hört man neben zu erwartendem Hip Hop und Metal vor allem Neue Music und Electronica), schnelle Schnitte und ähnliche mit Jugend assoziierte Stile. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied zwischen ihnen: Während Clark vehement einen beeindruckend konsequenten sachlichen Realismus vertritt, macht Gus van Sant bestechend schönes, verträumtes, fast surreales Kino. Und kommt damit den Gefühlen seiner Figuren auf die Spur.

(Christian Meyer)

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