Rachels Hochzeit
USA 2008, Laufzeit: 113 Min.
Regie: Jonathan Demme
Darsteller: Anne Hathaway, Rosemarie Dewitt, Debra Winger, Bill Irwin, Tunde Adebimpe, Mather Zickel, Anisa George, Anna Deavere Smith, Dorian Missick, Daphne Rubin-Vega
Weil ihre Schwester heiratet, besucht die zurzeit in der Psychiatrie lebende Kym ihre Familie. Während des Hochzeitsfestes reißen alte Wunden auf.
Für die im Film portraitierte Familie sind es zwei Tage, für den Zuschauer nur zwei Stunden, und doch geht die Gleichung von Jonathan Demme auf. Es ist ihm gelungen, mit „Rachels Hochzeit“ eine Intimität wie bei einem Familienfest entstehen zu lassen. Die Basis dieses Gelingens ist eine Produktionsweise, die ohne Probleme ein Dogma-Zertifikat erhalten würde: Handkamera, kein künstliches Licht, kein künstlicher Ton, keine Proben – meist wurde improvisiert und der erste Take verwendet. Nur dass dies hier ein Film vom Regisseur von „Das Schweigen der Lämmer“ mit der großartig agierenden Anne Hathaway aus „Der Teufel trägt Prada“ in der Hauptrolle ist.
Jonathan Demme hat für die Besetzung eine Art Gästeliste wie für eine Hochzeit erstellt. Neben den größeren Rollen tauchen unter den Gästen auf der Hochzeit viele Freunde und Bekannte des Regisseurs auf. Die Band, die auf der Hochzeit spielt und durch ihr permanentes Proben während der Hochzeitsvorbereitungen automatisch den Soundtrack des Films liefert, war Teil des letzten Dokumentarfilms von Demme. Einige der Statisten wurden mit Kameras ausgestattet, mit denen sie als Hochzeitsgäste das Geschehen einfangen sollten. Auch diese Bilder wurden Teil des Films. All dieses Private im Film führt dazu, dass der Zuschauer Zeuge eines tatsächlichen familiären Ereignisses – nämlich der Entstehung des Films – ist. Man merkt das an der Grundstimmung, der Chemie. Man merkt das auch an persönlichen Details, wenn zum Beispiel Neil Young erwähnt wird. Dass Demme großer Neil Young-Fan ist, weiß man nicht erst seit seiner Doku über den Rockmusiker von 2006. Man kann dies festmachen an den politischen Kommentaren, die beiläufig fallen und genauso gut die Kommentare der Darsteller sein könnten, die sich in der Drehpause unterhalten. Aber halt, jetzt geht's durcheinander! Wir sehen ja nicht die Dreharbeiten zu einem Hochzeitsfilm, sondern einen Hochzeitsfilm.
Und zwar einen ganz besonderen: Kym schleppt eine große Schuld mit sich herum. Seit sie Teenager ist, ist sie drogensüchtig. Als 16Jährige hat sie während eines ihrer Trips den Tod ihres jüngeren Bruders verschuldet. In der Folge haben sich die Eltern getrennt. Kyms Schwester Rachel leidet unter der großen Aufmerksamkeit, die Kym und ihren Problemen seither entgegengebracht werden. All das scheint bei Kyms Ankunft hinter den Hochzeitsvorbereitungen zurückzutreten, bricht sich jedoch schnell Bahn. Der Film streift durch das Geschehen, schnappt hier ein Gespräch auf, dort einen Blick, eine Geste und begleitet die ganz unterschiedlichen Versuche der einzelnen Familienmitglieder, mit der Situation umzugehen. Nebenbei entwirft Demme das Bild einer intellektuellen Mittelklasse, die sich durch kulturelles, politisches und soziales Interesse auszeichnet. Verschiedenste Kulturschaffende treffen aufeinander, mehrere Generationen und verschiedene Ethnien: Schwarze, Weiße und Asiaten. Aufgrund der Produktionsweise des Films ist auch das sicher ein Abbild von Demmes Umfeld und zugleich eine soziale Utopie, die unter der Regierung von Barack Obama wieder näher gerückt ist.
(Christian Meyer)
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24