Riefenstahl
Deutschland 2024, Laufzeit: 116 Min., FSK 12
Regie: Andres Veiel
>> www.majestic.de/riefenstahl-film/
Aufwendig recherchierte, spannende Dokumentation
Vorreiterin der Fake News
„Riefenstahl“ von Andres Veiel
Schon in seinem Porträt des Künstlers Joseph Beuys („Beuys“, 2017) beschäftigte sich der Dokumentarist Andres Veiel mit dem Spannungsfeld zwischen Kunst und Politik. Nun widmet er sich der wohl umstrittensten deutschen Filmkünstlerin, Leni Riefenstahl (1902-2003). Einerseits eine der innovativsten Regisseurinnen (u.a. „Olympia“, 1936) und charismatischsten Schauspielerinnen (u.a. „Das blaue Licht“, 1932) des deutschen Films, gilt sie andererseits aber auch als eine Vorreiterin der Fake News. Es ist nicht der erste Dokumentarfilm über Leni Riefenstahl, der versucht, Licht in den zwischen Verehrung, Verleumdung und Totschweigen angesiedelten Lebenslauf der Künstlerin zu bringen. Eigentlich dachte man, es sein schon alles bekannt und gesagt über ihre Nähe zu den Machthabern der NS-Zeit und ihre Propaganda für das Nazi-Regime, die sie nach dem Krieg so standhaft leugnete und sich stets als ahnungsloses Opfer stilisierte. Während die bisherigen Chronisten von Riefenstahls Werk sich auf ihre (Interview-) Aussagen, Zeitzeugen und öffentlich zugängliche Dokumente stützen mussten, gelang es Veiel und seiner Produzentin, der TV-Moderatorin Sandra Maischberger, Einsicht in den in 700 Kisten verstauten Nachlass Riefenstahls zu bekommen. Seit 2018 hat er sich durch die Filme, Fotos, Briefe und aufgezeichneten privaten Telefonate gewühlt und das Material dann mit der Unterstützung seines kreativen und sehr eigenständig arbeitenden Schnitt-Teams in die nun vorliegende, filmische Form gebracht.
Ohne den Legenden – und teilweise auch Lügen – auf den Leim zu gehen, mit denen Riefenstahl sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs rehabilitieren wollte, um wieder Filme machen zu können, verfolgt er den Werdegang der Tänzerin zur Schauspielerin, Regisseurin und Fotografin. Riefenstahl bezeichnet in einem Interview ihr 1932 gedrehtes, romantisches Stummfilmmärchen mit Musik („Das blaue Licht“) als Schlüssel zu ihrem Leben, hatte sie doch hier erstmals als Regisseurin, Schauspielerin, Co-Autorin (zusammen mit Béla Balázs und Carl Mayer) und Schnittmeisterin ihr volles künstlerisches Talent ausspielen können. Doch die Lieblingsschauspielerin des Bergfilm-Regisseurs Arno Fanck (u.a. „Die weiße Hölle vom Piz Palü“, 1929) wurde zur Kollaborateurin des Nazi-Regimes, obwohl sie das immer vehement abstritt („Mir ist es immer nur um die Kunst gegangen, ich habe von den Gräueln der Nazis nichts gewusst.“). Andererseits gesteht sie, dass sie 1932 von Hitlers erster Rede in Berlin wie von einem Magneten angezogen worden ist und diese schweißgebadet verfolgt hat. Auch von Veiel aufgefundene Filmaufnahmen von ihrem Einsatz als Kriegsberichterstatterin in Polen lassen den Verdacht aufkommen, dass Exekutionen speziell für ihre Kamera durchgeführt wurden. Veiel überlässt die Antworten in diesem klug montierten, zugleich informativen wie unterhaltsamen Dokumentarfilm dem Publikum, das sich an einer Künstlerin reiben kann, die mal erschreckend rechthaberisch daherkommt, mal sträflich naiv – und doch ohne Zweifel eine Meisterin des Bildes ist.
(Rolf-Ruediger Hamacher)
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