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Shortbus

Shortbus
USA 2006, FSK 18
Regie: John Cameron Mitchell
Darsteller: Lee Sook-Yin, Paul Dawson, Lindsay Beamish, PJ DeBoy, Raphael Barker, Jay Brannan, Peter Stickles

Meine Meinung zu diesem Film

Die Suche nach dem Höhepunkt
otello7788 (554), 22.01.2007

Es wird exotisch onaniert, leinwandfüllend eregiert, geblasen, geleckt, zu zweit, zu dritt gevögelt, auf dem Klavier, in der Gruppe, gefesselt, mit Sexspielzeugen hantiert und vieles mehr. Und trotzdem ist dieser Film nicht pornographisch. Es geht halt nur(?) um Sex. Der wird gezeigt, offen und ohne Tabus, aber auch irgendwie kalt.

Ungewöhnlicher Film, aber sehenswert.

Der Vorspann und die Verbindungen der Geschichten mittels eines nachgebauten Comic-Pappmache New Yorks sind nur sensationell schön zu nennen.

sex in the city
donnerstags (2), 28.10.2006

man sieht Penise und Vaginas und Orgasmen und Ejakulationen (a la Jackson Pollock) in einer angenehmen Weise wie ich es bis jetzt noch nicht gesehen hab...die ersten fünf Minuten sind so ziemlich das Beste was ich in den letzen Lichtjahren gesehen hab, und dann noch die Szene des Filmjahres überhaupt und diesmal hat es mit Sex zu Dritt unter Männern zu tun ... and you know what my fucking hetero friends loved it too...und ganz nebenbei vermisst man die Freizügigkeit der Parties wo man noch Fünfzehn war...nur Knutschen und so...

Tantra in New York
Der Doc (14), 23.10.2006

?SHORTBUS? von John Cameron Michel


Eigentlich hatte ich Angst vor dem Film, denn ich hatte zu viel Gutes vorab darüber gehört. Nun war da die große Sorge, enttäuscht zu werden. Beim letzten derartigen Geheimtipp (Matt Dillon spielte Charles Bukowski) rannte ich entnervt nach der Hälfte raus. Aber diesmal merkte ich zum Schluss gar nicht recht, dass der Film zuende war. Mangels Handlung in dramatologischem Sinne hätte er auch noch endlos weiter gehen können. Das ist übrigens keine Schmäh-Kritik. Meine asiatischen Lieblingsfilme (Urfa, Kitchen, Pillowbook) kommen fast alle ohne oder nur mit einer kleinen Prise Handlung aus. Nein, hier brauchte es keine Handlung, denn der Film ist wie das wirkliche Leben. Eine scheinbare Endlosschleife in Spiralen. Mal nach oben, mal nach unten.

Die Geschichte, die erzählt wird, ist eigentlich gar nicht so wichtig: Eine Paar- und Sexualtherapeutin (!) ist trotz gereiftem Alter (!!) auf der Suche nach ihrem ersten (!!!) Orgasmus. Das ist zwar schräg, aber noch nicht ungewöhnlich. In der heutigen Welt gibt es ja massenhaft Berater, die von dem, was sie beraten, keine Ahnung haben. Betriebe und Behörden, die solchen Umorganisationsberatern in die Hände gefallen sind, können ein Lied davon singen. McKitzel und PengQ lassen grüßen.

Interessanter ist es da schon, dass zwei schwule Klienten der Sexualtherapeutin raten, die heile Welt der geschmackvollen asiatischen Tapeten und wohlreflektierten Worte zu verlassen und in einen schmuddeligen Sexclub irgendwo in NY zu gehen. In dem Club trifft sie ein paar Leute, die zwar Sex und Orgasmus genug haben, aber in Wahrheit nach Liebe und Nähe dürsten. Selbst wenn sie beim Flaschenspiel ausgelost werden, im Schrank fünf Minuten miteinander zu poppen, erzählen sich die Protagonisten des Film noch tränenreiche Geschichten über Liebe, Vergänglichkeit, Verletzungen und seelische Schmerzen.

Aber keine Bange. Sex gibt es in dem Film noch genug. Irgendwie ganz unauffällig immerzu. Das heimliche Auge kommt bei dem Film schon auf seine Kosten. Hervorzuheben ist dabei besonders der flotte Dreier der Schwulen, fast schon mit akrobatischen Fähigkeiten, der Blick auf die durchaus sehr bevölkerte Fickwiese des Clubs (sorry, ich finde kein zarteres Wort dafür), die jede römische Orgie in den Schatten stellte und das Sperma, das die moderne Kunst befruchtete. Auch Komisches war zu sehen, aber nicht abfällig gemeint, sondern im Sinne von heiterem Lachen: so bei dem vaginalen elektronischen Vibra-Ei, das in den unmöglichsten Situationen ansprang und der weiblichen Hauptfigur manche (unerwünschte) Überraschung bescherte. Heiter auch das Bild, wo die Clubqueen ihre Dildos in Reih und Glied auf der Fensterbank aufstellte, so wie andere Hausfrauen dort ihre Blumen gießen und ordentlich aufreihen.

Wahrscheinlich ist der Film auch ein politischer, ohne dass wir armen Europäer das so richtig bemerken. So lustvoll wie die drei Schwulen sich die amerikanische Nationalhymne in den Arsch blasen, so heftig muss die Empörung der in Amerika stets präsenten Bibelbabbler und Prüdopatrioten über den Film ausfallen. Dem Regisseur John Mitchel wird der Satz ?If we can´t do if with elections we will do it with erections? zugeschrieben. Was aber vielleicht als Schlag ins Gesicht der Bush-Ära gemeint war, kommt hier bei uns gar nicht an. Der europäische Betrachter wird nur- je nach Standpunkt- Abscheu oder Bewunderung für den Sündenpfuhl New York empfinden, wo einfach alles möglich ist. Sogar in Aidszeiten. Statt dem erwarteten ?rien ne va plus? hören wir fasziniert ein ?faites vos jeux mesdames et messieurs?. Da ist es wieder, das große Amerika, nur etwas alternativ gewendet. Der in der ersten Szene gezeigte Flug über das Lichtermeer des handgebastelten New Yorks ist dafür symptomatisch: er ist ebenso poetisch und zart wie eindrücklich und machtvoll. Welch eine Riesenstadt, welch Magnet, welch Moloch!

Eindrücklich auch die Szene, wo der Strom in New York ausfällt. Erst flackert das Licht immer wieder und lässt so die Fragilität der modernen Kultur spüren, ihre existenzielle Bedrohung durch Urkräfte. Dann, als er wirklich ganz ausfällt, schafft es der Club und die Dragqueen, die ihn leitet, eine Weihnachtsstimmung zu verbreiten, in derSexus, Liebe und Zuneigung brüder- und schwesterlich über die Grenzen von Alter, Geschlecht und erotische Präferenz hinweg geteilt werden. Das ganze noch gemischt mit einer schönen Stimme, Musik und ein bisschen Karneval und schon gelingt ein Wunder auf Erden. Zwei Schwule, die sich eigentlich durch Selbstmord trennen wollten, küssen sich wieder zärtlich und lebensbejahend, die Sexualtherapeutin wird von einem Paar, das sie von zwei Seiten lustvoll anleckt, ihrer lustfeindlichen Selbstkontrolle beraubt und erreicht ozeanische Gefühle, eine gefühlskalte Domina findet eine über die Gerte hinausreichende Beziehung und über allem schwebt der greise New Yorker Ex-Bürgermeister Ed Koch als segensspendender Patriarch der schwulen Bewegung.

Eine gewisse filmische Ästhetik ist den gezeigten Bildern nicht abzusprechen. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass alles real acts sind, keine filmfakes. Man könnte lange debattieren, ob der Film zur Pornografie oder zur Erotik gehört. Es ist wohl eine Frage der Definition. Nach meiner Meinung ist er ein Grenzgänger: zärtliche Pornografie oder Erotik, die nichts auslässt.

Als ich am Abspann merkte, dass der Film jetzt wirklich zuende war, hatte ich Tränen der Rührung und Freude in den Augen. Jenseits der Sexualität oder besser: mitten durch sie hindurch, durch ihre heftigste Betätigung, durch dass Fallenlassen aller Hüllen und Konventionen, hatten die Hauptfiguren zu einem tantrischen Zustand des Glücks gefunden, in dem das gestöhnte gutturale ?Ohhhh? nur Millimeter neben dem gläubigen ?om mani padme hum? und damit dem Zustand universeller Weisheit und Glückseligkeit liegt. Eine kleine Welle dieses Glücks war am Ende auf mich übergegespült.

Vielleicht lag das daran, dass ich am Tag vorher die Tibetausstellung in Essen mit all ihren mystischen Vereinigungen und Shaktis gesehen hatte. Von Tantra bis Shortbus, von Shakti bis Dragqueen ist es jedenfalls nicht sehr weit.

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