Silence
USA, Italien, Japan, Mexico 2016, Laufzeit: 161 Min., FSK 12
Regie: Martin Scorsese
Darsteller: Andrew Garfield, Adam Driver, Liam Neeson, Ciaran Hinds, Issei Ogata
>> www.silence-film.de
Schweigen?
Matt513 (266), 29.11.2018
Es lohnt sich, vorher einen geschichtlichen Rundblick zu nehmen, um die Bezüge zu verstehen, die Scorsese hier Vokabeln gleich ausstreut. Danach ist der Film sehr beeindruckend, nicht zuletzt auch durch überwältigende Bilder der wilden, fernöstlichen Natur.
Obschon ich Andrew Garfield als Schauspieler normalerweise nicht so mag, bin ich voll des Lobes für seine hier gezeigte Leistung. Garfields Padre Rodrigues ist im Grunde schwach im Glauben. Um sein inneres Straucheln dreht sich der gesamte Film. Mir scheint, er sehnte sich danach, vom Glauben erfüllt zu sein, aber ergeht sich ständig in religiöses Pathos. Wie weit er vom Ziel entfernt ist, zeigt sich, als er zusammen mit einheimischen Christen gefangengenommen wird. Wie könnt Ihr so ruhig sein, wir werden alle sterben! stößt er aus. Und ruhig, dabei fassungslos blicken die Einheimischen zurück, die dieses Schicksal offenbar nicht fürchten. Waren es nicht die Missionare aus Europa, die ihnen doch das Paradiso nach dem Tod versprachen; Missionare, so wie Padre Rodrigues einer ist? Woran verzweifelt er nun, möchten ihre Blicke ausdrücken. Wenn dies darzustellen Scorseses Absicht war, dann ist das gut getroffen.
In Japan trifft der Padre auf eine hochentwickelte, buddhistische Gesellschaft. Das sind keine Wilden, die nur aufs Christentum gewartet haben. Rodriges macht keine gute Figur; in seinen Aussagen zur Religion läßt er nur die eigene Sicht gelten, wo ein Dialog evtl. erfolgversprechender wäre. Das deckt sich mit dem Ausschließlichkeitsanspruch der Kirche damals. Die Gleichnisse, mit denen ihn die Inquisitoren stellen, sind in ihrer Logik zwar entwaffnend. Aber da sie letztlich auf Xenophobie gegründet sind, wäre es ein Leichtes für ihn, sie auszuhebeln. Wieder ergeht er sich in religiöse Schlagworte; Chance vertan.
Die Inquisitoren, selbst im Angesicht ihrer macchiavellischen Grausamkeit noch höflich und zuvorkommend, zwingen die Christen zum Abschwören. Dazu läßt man sie christliche Symbole mit Füßen treten, was durch die katholische Kirche streng geächtet war. Hier grenzt nach meinem Empfinden der Film irdischen Aberglauben, von der Kirche als Machtmittel genutzt, gegen den von Gott gegebenen Glauben ab. Als überirdische Instanz ist es für Ihn nachrangig, ob jemand auf ein (letztlich irdisches) Ding aus Metall oder Holz tritt. Er blickt den Menschen ins Herz. Am stillen Höhepunkt des Films ist Gott bei Rodriges. Dennoch zerbricht jener an der auferlegten Prüfung. Da hat er den Glauben anscheinend immer noch nicht verstanden. Auch Gottes vermeintliches Schweigen nicht: „Ich litt neben Dir. Ich habe nie geschwiegen.“
Kein schöner Film über das Scheitern an den eigenen Ansprüchen.
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24