Star Wars IV-VI
Han shot first
Matt513 (266), 26.11.2015
Wie kaum ein anderes filmisches Werk hat Star Wars (oder Krieg der Sterne, wie er in Deutschland hieß) unser kollektives Bewußtsein geprägt und die Art, wie wir Kino erleben, nachhaltig verändert. Durch häufige Wiederaufführungen, Director's Edits und nicht zuletzt auch die zwei Fortsetzungen (vulgo Episoden) verbinden Generationen von Kinogängern persönlichste emotionale Wahrnehmungen mit der erstmaligen Ansicht. Ich besuchte mit meinem Vater weiland eines der größten Kinos Deutschlands. Die Speicherplatte in meinem Kopf war so gut wie leer, Internet gab's noch lange keins. Im Fernsehen hatte es einen Werbespot gegeben, den ich verschlungen hatte, sonst nichts.
Was fällt Ihnen noch von Ihrem ersten Mal ein; der Sternenzerstörer, der über Sie hinwegzusausen scheint, die aufbrandenden Fanfaren, die Rettungskapsel, das wundervolle Licht in der (tunesischen) Wüste, Onkel und Tante skelettiert, die Monstren in Mos Eisley, gar die Dogfights über dem Todesstern? Nach der Vorstellung fand ich emotional kaum in die Realität zurück. Mein Vater fuhr, aber ich sah nur den Film vor mir. KdS hatte einen schier überrollt. Cineastisch sprengte der Film alles bisher Dagewesene. Bis dahin hatte es Science Fiction nur indoor gegeben; blitzsaubere Kommandozentralen, adrette Uniformen, aufgeräumte fremde Planeten. KdS gab uns eine Idee, wie's da draussen (in einer weit weit entfernten Galaxie) wirklich aussah: Dreckig, staubig, voller Schrott und gemeiner Kerle. Und ja, mit zum ersten Mal stapften die Charaktere durch echte Sets. Eine Vision, viel näher an unsere eigene Welt denn an die utopischen Hoffnungen angelehnt, irgendwo da draußen sei alles besser. Sowas ließ sich begreifen. Ohne daß die meisten Menschen es nach dem Kinogang offen formulieren konnten, barg der Film enormes Identifikationspotential, indem er einen Nerv tief im Innern traf: Wie Skywalker sein alltägliches Leben hinter sich zu lassen, seinen Traum zu leben, gar zu neuen Welten aufzubrechen, wer hatte nicht mindestens mal davon geträumt.
Geträumt hatte George Lucas, und zwar seit Beginn der 70er Jahre davon, ein Space Fantasy-Epos im Stile der klassischen Flash Gordon-Filme zu erschaffen. Bei der Niederschrift seines Traktats überließ er von Anfang nichts dem Zufall: Die Lektüre einer Abhandlung, die klassische Mythen auf der Metaebene nach Gemeinsamkeiten abklopfte, gewissermaßen die Blaupause für ein Epos mit hohem kulturellen Wiedererkennungswert lieferte, war Teil seiner Vorbereitung, weiterhin die Ansicht von Kurosawas Die verborgene Festung, welcher als Vorbild für Figuren und Teile der Handlung diente. Zu weiteren Quellen wurden Klassiker wie Langs Metropolis (für C-3PO) sowie Trumbulls Lautlos im Weltraum (für R2-D2).
Wie viele Produktionen, die ihrer Zeit weit voraus waren, so stellte auch die Realisierung von KdS ein übergroßes Wagnis dar. Daß sie nicht grandios auf die Bretter ging, ist mithin schiere Fortune beim Zusammenspiel entscheidender Faktoren gewesen.
Neben Lucas, Zünder des kreativen Funkens und unermüdlicher Antreiber am Set, kommt Alan Ladd Jr., damals Head of Creative Affairs bei 20th Century Fox, eine Schlüsselrolle zu. Nach Absagen anderer Studios war es Lucas' großes Glück, daß Ladd Jr. nach Ansicht von American Graffiti unbedingt an Lucas und seine Weltraumoper glaubte und diese gegen viele Widerstände bei Fox ermöglichte. Ohne Backup eines großen Studios hätte es KdS nie gegeben. Weltraummärchen als abendfüllender Film, in den Köpfen der Studiobosse ging das nur schwerlich. Auch das kreative Chaos bei der neugegründeten Industrial Light & Magic schien die längste Zeit nicht auf ein Gelingen hinzudeuten. Die Special Effects-Techniker bei ILM sahen sich eher als kreative Kommune, ihr künstlerisches Wirken frei von weltlichen Zwängen wie Zeitplan oder Budget. Chaos auch am Set; der erste Regensturm nach 50 Jahren in der tunesischen Wüste am ersten Drehtag ist heute Teil der Produktionslegende. Ständig mußte improvisiert werden; die komplett neu entwickelte Tricktechnik, Requisite, Kostüme usw. häufig am Limit und die Uhr tickte. So wurde KdS das Ergebnis wuseliger Teamarbeit. Viele kreative Köpfe brachten sich erfolgreich ein. Nach Ansicht der mediokren Prequel-Trilogie, bei denen Lucas die komplette Kontrolle innehatte, muß man dies für die sog. Original-Trilogie als großes Glück begreifen. Denn häufig waren Lucas' Vorstellungen alles andere als optimal. So überarbeiteten seine Schauspieler laufend während des Drehs die sperrigen Original-Dialoge (Carrie Fisher sagte damals, das könne man so schreiben, aber nicht sagen). Lucas' erster Schnitt des fertigen Films wirkte langweilig und statisch. Erst Richard Chews Schnittversion ergab den aufregenden Drive, den jeder mit dem Film verbindet, welche verdient mit dem Oscar belohnt wurde.
Im fertigen Film sieht man wenig von den immensen Problemen der Produktion. Er wirkt wunderbar gelungen, versprüht Witz und Charme im Detail und zieht einen unwiderstehlich in seinen Bann. Schlüssel zum Erfolg dürfte auch die formidable Musik gewesen sein, vielleicht John Williams' Meisterstück. Auch Jahrzehnte später macht es einfach Spaß ihn zu schauen, wenn man auch über manches Detail mittlerweile schmunzelt. Die spaßigen Alien-Masken von Mos Eisley erzeugen keinen Schauer mehr (auf der Festplatte im Kopf sind längst drastischere Dinge gespeichert) und für erheiternde Nostalgie-Momente sorgt mancher Blick auf die Kulisse, so auf liebevoll gebastelte Schalttafeln an Bord des Todessterns oder Ringelkabel im Cockpit des X-Wing-Fighters.
Dieser ganze Schnickschnack, den Lucas 1997 in der Special Edition hinzugefügt hat, ist meiner Meinung nach übrigens entbehrlich. Die Ergänzungen wirken wie seismische Störungen im Erzählfluß. Wenn sich eingangs der Mos Eisley-Szene plötzlich zwei wie Dick und Doof eins auf den Dez hauen, irgendwelche Dinosaurierviecher sinnfrei vor der Linse vorbeilatschen und im Hintergrund fliegendes Drohnenzeugs zu sehen ist, dann wirkt das nicht nicht nur lästig, sondern bringt auch den Film keinen Zentimeter voran. Dies und anderes soll Lucas' filmische Vision endlich vervollständigt haben? Auf diese sensationellen Ergänzungen mußte die Welt 20 Jahre warten? Daß R2-D2 sich hinter einem nachträglich eingefügten Fels versteckt? Noch dicker kommt es in der Bar, wenn Greedo dran glauben muß. Eine Szene, die ich schon damals als vollkommen folgerichtig empfand, da Han Solo sich akuter Lebensgefahr ausgesetzt sah. Lucas meinte '97 nun, einen seiner stärksten Charaktere nachträglich moralisch exkulpieren zu müssen, indem er mit einer hanebüchenen Einzelbildmontage Greedo zuerst schießen ließ. Daß die Mos Eisley Bar nicht das Refugium von Chorknaben ist, wußten wir doch seit fast 20 Jahren. Und da durfte Solo, der Schmuggler und Halunke mit dem Herz aus Gold nicht zuerst schießen, wenn eine Waffe auf ihn gerichtet ist? Doch, er durfte. Han shot first!
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Das Imperium schlägt zurück
Die Fortsetzung vom Sternenkrieg stand in fast jeder Hinsicht unter drastisch geänderten Vorzeichen. KdS war der Game Changer schlechthin im Filmbusiness gewesen; das einstige Stiefkind Merchandising war plötzlich potenter Umsatzbringer, der Weltraum, sonst eher im Fokus der Nerds, als Schauplatz von allerlei Epigonen (z.B. auch 007 – Moonraker) auf einmal schwer in Mode. Ein langer Schatten fiel voraus. Es hatte wiederum einen phantastischen Werbespot gegeben und wir paßten vor Erwartungen kaum durch die Tür des Kinosaals.
Wir wurden zunächst nicht enttäuscht. Mit der Schlacht auf dem Eisplaneten Hoth sattelte Lucas' Spezialeffekte-Schmiede ILM mächtig einen drauf. War schon das Duell am Todesstern ein Quantensprung gewesen, so toppten die irren Kameraschwenks wenige Meter über dem ewigen Eis (und später im All) dies noch. Auch das Konzept der Schützenpanzer mit Beinen (bewährte Stop-motion) - auf so einen abgefahrenen Scheiß mußte erst mal einer kommen. Für uns juvenile Kinogänger war dies ein Fest, jedoch entwickelte sich der Film anschließend in eine unerwartete Richtung. Plötzlich verlangsamte sich das Erzähltempo, zudem teilte sich das Ensemble auf. Skywalker eilte auf ein Blind Date mit Yoda davon, Solo und die anderen verschwanden zwischen Asteroiden. Der narrative Ton wurde düsterer. Wir hatten keine Ahnung vom Filmgeschäft und verstanden wahrscheinlich nicht, daß man nicht einfach eine Kopie des ersten Films nachschieben konnte. Lucas hatte sich vom operativen Teil zurückgezogen und die Regie Irvin Kershner, seinem alten Professor von der Filmakademie übertragen, welcher bis dahin allenfalls durch kleinere, charakterbezogene Filme von sich reden gemacht hatte. Dessen ungeachtet fand sich dieser unversehens auf einem gigantischen Set wieder (alles echte Kulissen, waren das noch Zeiten!) und hatte die Herkules-Aufgabe zu meistern, alles noch besser, größer, toller zu machen. Seine Verpflichtung sollte ein weiterer Glücksfall werden, denn er rückte die charakterliche Reifung Skywalkers in den Fokus, soweit wie dies in einem Weltraummärchen eben möglich war. Auch andere Figuren (Solo, Leia) sowie ihre Beziehung zueinander gewannen nun an Profil. Kershner wägte manche Szene sehr sorgfältig ab, ob sie zum jeweiligen Charakter oder auch zum dramaturgischen Gesamtton des Films passte. Manch sehenswertes Material blieb so auf der Strecke. Sein wichtigster Mime aber war kein Mensch. Mit Yoda stand und fiel die Glaubwürdigkeit des ganzen Films, aber das Team um Frank Oz meisterte diese Aufgabe. Die Illusion ist fast perfekt und im fertigen Film macht sich das großartig. Ich mein, jeder weiß, daß es ein Trick ist, aber er funktioniert so prächtig, daß man sich drauf einläßt. Yodas Philosophien über die Macht verliehen dem Film weitere emotionale Tiefe, nahmen ihm gleichsam weiter an Tempo.
Beabsichtigt oder nicht, die Star Wars-Serie wuchs in das Korsett eines klassischen Spiels in 3 Akten. Der erste Film, nun Episode 4 genannt, etablierte vornehmlich die Charaktere. Im zweiten, Episode 5, wurden diese mit einer aussichtslos scheinenden Bedrohung konfrontiert, welche -richtig- in einem weiteren zu meistern war. Damit und auch mit dem offenen Ende vor Augen war klar, daß wir auf eine weitere Fortsetzung hoffen mußten, als wir aus dem Kino geströmt kamen und als Normalsterbliche keinerlei Informationen von jenseits des großen Teichs hatten, ob und wie es weitergehen würde. Ich hätte wie andere auch gerne wieder ein spektakuläres Grand Finale erlebt (dabei hatte Vaders Ausspruch ja noch für einen Paukenschlag gesorgt), stattdessen baumelten wir emotional mit den Beinen in der Luft. Episode 5 ist fast sowas wie ein Cliffhanger. Ein Zwischenfilm eben. Zwar mit der Bürde ins Rennen gegangen, die Fortsetzung eines sehr erfolgreichen Kassenschlagers zu sein, aber in der schwierigen Kategorie der Fortsetzungsfilme gilt er als einer der gelungensten.
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Die Rückkehr der Jedi-Ritter
Im Vergleich damals und heute sehe ich Episode 6 mit gemischten Gefühlen. Damals im Kino berauschten natürlich einmal mehr die analogen Spezialeffekte, insbesondere die Kamerafahrten durch das Dickicht auf Endor, im echten Wald entstanden. Auch mit Jabba dem Hutten, durch 6 Techniker zum Leben erweckt, lieferte die klassische Bühnentechnik ein wahres Meisterstück ab; beides hätte kein Computerprogramm authentischer hinbekommen. Die Schwächen in der Regie fielen dem weiland ungeschulten Auge dagegen nicht auf, insbesondere nicht während der Action-Szenen. Jahre später meint man zu erkennen, wie Akteure im Getümmel dann und wann kurz auf etwas warten, einer auf den anderen, ein Stichwort oder mehr Anleitung durch den Regisseur. Fürs Kino angerichtet ist sowas nicht unbedingt erwünscht. Regie führte Richard Marquand, der u.a. bis dahin eine Beatles-Doku abgeliefert und Follets Die Nadel verfilmt hatte. Bemerkenswert, wie Lucas seine Wahl für ihn erklärte: Er sei imstande, in time & budget zu arbeiten. Außerdem wolle er gerne mit Lucas arbeiten und es sei doch auch für seine Karriere förderlich (die 5 Jahre später mit einem Schlaganfall jäh endete). Übrigens: Fast wäre es gelungen, David Lynch für den Regiesessel zu verpflichten. Letztlich war jener aber bereits dabei gebunden, Dune zu drehen; an der Kinokasse ein Flop, aber visuell sehr spannend. Man stelle sich angesichts der interessanten visuellen Einzellösungen in Dune vor, was DAS für eine Episode 6 geworden wäre. Sehr schade, daß es dazu nicht kam; zudem Lynch bis heute bereut, Dune gemacht zu haben.
Der vorerst letzte Film hatte die undankbare Aufgabe, seine Vorgänger nochmal zu toppen, die Geschichte in ein angemessenes Finale zu führen und außerdem natürlich alle offenen Enden glaubhaft zusammenzuschnüren. Das macht er einigermaßen ordentlich. Gleichwohl war jedem natürlich klar, daß es irgendwie auf ein Happy End zusteuern würde, was nach meinem Dafürhalten zusammen mit der etwas verbesserungsfähigen Regie dafür gesorgt hat, daß er nicht einen derartigen emotionalen Widerhall erzeugte wie etwa Episode 4. Auch wenn man sich weidlich mühte, nochmal ein großes Feuerwerk mit der nunmehr geballten Tricktechnik abzubrennen - dramaturgisch geht dem Film einiges von dem ab, was seine Vorgänger ausmachte. Über die überarbeiteten Szenen der wiederum später vorgestellten Special Edition schweigt man übrigens besser – die Musikeinlage reloaded in Jabbas Palast ist geradezu Travestie. Und wieso sieht Luke am Ende nun plötzlich den jungen Anakin (wo er ihm "in jung" doch nie begegnet war), aber immer noch den alten Obi-wan? Na ja und die Ewoks sind zwar irgendwie putzig, aber haben in der Fangemeinde nicht nur Freunde. Ich halte mich an der Stelle an meine Eindrücke von damals, wo ich sie, sagen wir mal, ganz knuffig fand. Lucas stand natürlich unter enormem Erfolgsdruck, auch finanziell, so sei ihm diese Zote verziehen mit der Erklärung, daß sein Film ein sehr breites Publikum ansprechen mußte. Sein langjähriger Mitstreiter, der Produzent Gary Kurtz hatte die Produktion verlassen, nachdem Lucas erklärt hatte, das Publikum würde eh die Spezialeffekte über die Handlung stellen.
Lucas war fürs erste am Ziel, die Sternen-Saga war erzählt, aber sie hatte ihren Preis gefordert: Als junger Filmemacher wollte er stets den anderen Weg gehen, seine filmische Vision abseits der Zwänge des konservativen Diktats Hollywoods realisieren. Aber durch den globalen überwältigenden Erfolg wurde er selbst Teil des Establishments; ein Film-Mogul, dem keiner mehr zu widersprechen wagt, obwohl dies manchmal sicherlich notgetan hätte (s. Prequels).
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Epilog:
Star Wars ist längst Big Business geworden, Punkt. Was man auch angesichts des ungeheuren Medienrummels ermessen kann, mit dem in ein paar Wochen der 7. Film nun von Disney in die Vertriebskanäle gekippt wird. Nach dem, was ich bisher gesehen habe, sind meine Gefühle allerdings gemischt. Han Solo würde vielleicht sagen: I have a bad feeling about this. Ich habe die Interviews gesehen, J.J. Abrams' Anmerkungen zur Produktion im „klassischen“ Stil (mehr echte Kulissen), aber ich bin mir nicht sicher. Den Trailern nach zu urteilen, wird es ein großes Wortgehalle und Kamerageschwenke, bestimmt ein großes Spektakel, keine Frage, aber ob das 38 Jahre nach dem ersten Film wirklich noch *Star Wars* sein wird... lassen wir uns überraschen ;).
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