The Square
Schweden, Deutschland, Frankreich, Dänemark 2017, Laufzeit: 142 Min., FSK 12
Regie: Ruben Östlund
Darsteller: Claes Bang, Elisabeth Moss, Dominic West
>> thesquare-film.de
Doppelbödige Gesellschaftskritik
Integrität und Vertrauen
„The Square“ von Ruben Östlund
Bericht zur Kölner Preview
Christian liegt ziemlich zerstört auf einem Sofa. Zwar trägt er einen eleganten Anzug, doch die Spuren der letzten Nacht sind ihm deutlich anzusehen. Es ist sein Büro, in dem er liegt, in einem Museum in Stockholm, dessen Direktor er ist. Von der Stimme seiner Assistentin wird er ruhig, aber bestimmt daran erinnert, dass jetzt ein Interview mit einer amerikanischen Journalistin ansteht. Wenige Minuten später sieht er wieder ganz manierlich aus und erzählt der Journalistin eloquent von kunsttheoretischen Ansätzen und moralischen Maximen. Ein Mensch, zwei Räume, zwei Rollen. Und es gibt noch mehr Räume und Rollen für Christian (Claes Bang), durch die er leichtfüßig wandert: als eleganter Passant in den Straßen und Geschäften, als Vater seiner beiden Töchter in seiner Wohnung und natürlich als Direktor im Museum, bei Empfängen, Partys und Pressekonferenzen. Christian beherrscht den Umgang mit seiner Umwelt nicht nur gut, er hat es sogar ziemlich gut drauf, sein Umfeld mit seiner sympathischen, liberalen Art und einem klugen und redegewandten Auftreten für sich einzunehmen und für seine Zwecke einzuspannen.
Das Interview der Eingangsszene findet anlässlich der kommenden Ausstellung statt. „The Square“ wird gerade auf dem Museumsvorplatz installiert: In den Boden eingelassene Schienen, durch die sich eine Lichtleiste zieht, bilden ein Quadrat. Das Quadrat symbolisiert einen Schutzraum für alle Hilfesuchenden. Das Kunstwerk appelliert an das Vertrauen in seinen Nächsten und richtet sich gegen eine gefühlskalte, von Egoismus durchzogene Gesellschaft. Den jungen Mitarbeitern einer PR-Agentur, die die Ausstellung medial pushen sollen, ist das nicht kontrovers genug. Sie planen ein Video, in dem ein blondes Kind im Square eben keine Hilfe bekommt, sondern im Gegenteil sehr realistisch… explodiert. Der für das Museum eher ungewöhnliche Marketing-Coup geht an Christian vorbei, denn der hat gerade Wichtigeres zu tun: Seine Geldbörse wurde geklaut und er versucht mit Hilfe eines Assistenten im Museum das Handy zu orten, um es zurück zu bekommen. Das funktioniert mit einem etwas grobschlächtigen und dilettantisch ausgeführten Trick sogar. Doch dann taucht ein kleiner Junge auf, der sich Christian in den Weg stellt: Christians Umgang mit Problemen macht den Jungen richtig übellaunig und er schaltet auf Angriff. Und plötzlich treten die inneren Widersprüche des kaum angreifbaren, weltgewandten Museumsdirektors immer deutlicher zutage. Als dann auch noch der Videoclip der Marketing-Agentur viral geht, droht Christians Leben zu entgleiten.
„The Square“ legt langsam und genüsslich die Widersprüche hinter Christians zunehmend rissiger Fassade frei. Von allen Seiten wird der Protagonist ausgeleuchtet, mal sehr ernst, mal sehr komisch, immer temporeich und pointiert. Zugleich ist der ganze Film durchzogen von doppelbödigen Szenen, die das Thema der Integrität auf eine allgemeine gesellschaftliche Ebene heben. Das fängt bei den Kunstwerken an: Am Anfang des Films „The Square“ stand das Kunstwerk „The Square“, das es tatsächlich gibt. Ruben Östlund hat es gemeinsam mit Kalle Bomann für das Museum Vandalorum in Südschweden kreiert. In einer zentralen Szene, die auf den Bystander-Effekt abzielt (je mehr Menschen eine Notsituation beobachten, desto weniger ist der Einzelne bereit zu helfen), wird eine feine Dinner-Gesellschaft von einem Performance-Künstler vorgeführt, der in archaischer Manier als Affe zwischen den Gästen wütet. Und in der Szene, die den Diebstahl von Christians Geldbörse zeigt, kommt man sich vor wie in einem modernen Straßentheater, das ahnungslose Passanten in ein Schauspiel über soziale Verantwortung hineinzieht.
Dass alles eine Frage des Kontexts ist, weiß auch der Kunst geschulte Christian. Er selbst erzählt in der Eröffnungsszene der amerikanischen Journalistin, dass ein Objekt von der Straße in einem Museum zu etwas anderem wird. Auch ein Mensch steht ständig in unterschiedlichen Zusammenhängen und wird mit unterschiedlichen Erwartungshaltungen konfrontiert. Wie sehr einem das um die Ohren fliegen kann, wenn die Integrität fehlt, zeigt der Film auf äußerst kluge, spannende und auch komische Art.
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(Christian Meyer- Pröpstl)
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