Tod auf dem Nil
USA 2020, Laufzeit: 127 Min., FSK 12
Regie: Kenneth Branagh
Darsteller: Kenneth Branagh, Tom Bateman, Annette Bening, Gal Gadot, Armie Hammer
>> www.tod-auf-dem-nil.de/
Elegantes Poirot-Remake
Moustache
„Tod auf dem Nil“ von Kenneth Branagh
Peter Ustinov als Hercule Poirot, das ist eine Marke, das ist Kult, das ist ein kleines Stück Filmgeschichte. Unvergleichlich einzigartig verkörperte Ustinov den belgischen Privatdetektiv, aufgeweckt verschroben, witzig und um Stil bewusst. Kenneth Branagh will es ihm gleichtun, und das gelang 2017 mit „Mord im Orient-Express“ bereits recht überzeugend. Etwas aber fehlte. Und so verleiht Branagh dem Charakter jetzt das, was ihn ausfüllt: Tiefe. Das gelingt vor allem dadurch, dass der Regisseur Agatha Christies Krimi erneut und diesmal noch umfassender um eine Rahmenhandlung erweitert. Darin erfahren wir von Poirots Zeit im Schützengraben 1914, von seiner geliebten Frau und davon, wie er zu seinem Moustache kam, seinem schmucken Schnurrbart.
Vor allem aber passiert das Altbekannte: 1937 reist eine Hochzeitsgesellschaft mit einem Raddampfer den Nil hinunter, unter ihnen Poirot in geheimer Mission, die allerdings schon bald von einer Bluttat überschattet wird. Simon (Armie Hammer) und Linnet (Gal Gadot), das Hochzeitspaar, wird aufdringlich verfolgt von Simons Ex-Flamme Jacqueline (Emma Mackey), die er wegen Linnet hat sitzen lassen. Unheil kündigt sich bereits beim Landgang am Fuße der Pyramiden an, als ein gezielter Steinschlag die Frischvermählten knapp verfehlt. An Bord aber nimmt das Böse unter der Sonne endgültig seinen Lauf. Und es bleibt nicht bei einem Mord, denn auch Zeugen gehören beizeiten zum Schweigen gebracht. Der Fall ist tricky, die Spurensuche gestaltet sich als schwierig. Doch Poirot beobachtet. Natürlich macht er das – er kann gar nicht anders. Und wenn es brenzlig wird, dann kombiniert er das, was er beobachtet hat. Und so führen Blicke, Details und Nuancen am Ende zur Aufdeckung eines wundervoll perfiden Plans. „Oh, how clever is Hercule Poirot!“
„Tod auf dem Nil“ ist eine der gelungensten Krimis von Agatha Christie, und bereits das Setting im Luxusdampfer auf dem Nil im sonnendurchfluteten Ägypten drängt sich für eine (Neu-)Verfilmung auf. Haris Zambarloukos fing bereits die Mörderjagd im Orient-Express mit der Kamera ein, hier nun gelingen ihm prächtige Totalen vom wüstensandgerahmten Nil ebenso wie elegante Fahrten durchs Interieur des Raddampfers. Das alles wird erneut ebenso stilvoll und erhaben musikalisch untermalt von Patrick Doyle („Bridget Jones“, „Gosford Park“, „Thor“). Und natürlich überzeugt die ausgesuchte Darstellerriege – mit Abstrichen bei Gal Gadot, die vergleichsweise hölzern agiert.
Branagh serviert ein wunderbares Krimi-Dinner – wenn auch nur zu Nachos und Popcorn. Ein Hochglanzschinken im besten Sinne, der das Auge verwöhnt und dabei Verstand und Sinne anregt, und der uns einen Poirot schenkt, wie wir ihn noch nicht gesehen haben: mit Tränen in den Augen. Einen Poirot, der uns berührt. Und ebendies gelingt dann – anders als noch beim „Orient-Express“ – auch dem Film.
(Hartmut Ernst)
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24