Triangle of Sadness
Schweden, Deutschland, Frankreich, Großbritannien 2022, Laufzeit: 149 Min., FSK 12
Regie: Ruben Östlund
Darsteller: Harris Dickinson, Charlbi Dean Kriek, Dolly de Leon
>> tickets.alamodefilm.de/triangle-of-sadness-de
Die Kapelle spielte bis zuletzt
Matt513 (266), 06.11.2022
Hach, Gewinner der Goldenen Palme und ich – das wird in diesen Jahren wohl keine Liebesbeziehung mehr.
Immerhin, daß Ruben Östlund innerhalb von 5 Jahren diese sehr renommierte Auszeichnung, also zumindest war sie's mal, nun schon zum zweiten Mal gewinnen konnte, ist aller Ehren wert. Und gekonnt, mit einem originellen Drehbuch im Rücken, demaskiert er einmal mehr die moderne Gesellschaft. Oder besser, einen Ausschnitt davon. War es in Höhere Gewalt die junge Mittelschicht und in The Square das gesetzte Bildungsbürgertum, ist diesmal -frei nach SWR3- die Welt der Schönen, Reichen und der ganz schön Reichen dran.
Wie schon gehabt - rupft man dieses ganze verbale Zivilisationsgestrüpp zur Seite, kommen entlarvende Ansichten zum Vorschein. Der moderne, zivilisierte Mensch nämlich, er tickt allen anderslautenden Versicherungen zum Trotz im Grunde doch sehr simpel.
Eingangs will Carl 'mehr Gleichberechtigung' in der Beziehung mit Yaya, aber eigentlich sind beide bloß zu geizig zum Bezahlen der Restaurantrechnung. Die Crew wird eingeschworen, die Luxuskreuzfahrt magisch zu machen, aber ganz besonders die letzte Stunde, denn dann gibt’s das beste aller Trinkgelder. Der schnöde Zaster.ist und bleibt, worum es am Ende geht. Auf die Reise geht neben Yaya und Carl eine illustre Gesellschaft. Das nette arrivierte Seniorenpärchen, das sich über die Ächtung der UN ihres Geschäftsmodells, der Produktion von Handgranaten nämlich, ganz zerknirscht zeigt. Das Oligarchenpärchen, bei dem sich beweist, daß Geld alles mögliche, aber kein Format kauft. Der IT-Selfmademan; sozial verkümmert, aber reich. In Zeiten, wo Du auf Social Media alles, aber ohne nichts bist, garniert Östlund dies mit hübschen Versatzstückchen. Die ständige Pose für Insta geht über alles und ob die Influencerin das von ihr Ge-influencte gar nicht konsumiert, nun auf den Bildern merkt man das ja nicht.
Diesem exklusiven Prozent auf dem Sonnendeck steht eine unverhältnismäßige Zahl dienstbarer Geister unten in den Gedärmen des Schiffes gegenüber. Man versteht schon, hier geht es nur im Vordergrund um eine Schiffsreise. Maßlosigkeit über Nachhaltigkeit (Nutella? Fliegen wir ein!), Oberfläche über Inhalt, die Schere klafft, den wenigen, die feiern, stehen viele gegenüber, bei denen das gerade nicht angesagt ist. Kurzum, was hier vorgeführt wird, muß nicht auf den Kreis der Reichen beschränkt bleiben. Es geht auch als valide Gesamtbeschau der globalen Gesellschaft durch. Ein Sturm zieht auf. „Ich verkaufe Scheiße“ hatte der Oligarch Carl erzählt. Wenn er (und das Publikum) wüßte, wie nahe er bald seinem Geschäft ist.
Wie kam nun obiges Urteil zustande, also warum konnte mich dieser irrwitzige und präzise inszenierte Film nicht viel mehr begeistern?
Das Problem ist, daß die Zeitläufte Östlunds Film längst eingeholt haben, man also kaum noch Überraschendes und dann eben Unterhaltsames daraus gewinnt. Derselbe Film vor 10 Jahren, und man wäre irgendwo zwischen Grusel und Belustigung aus dem Kino gekommen. Heute nimmt der durch das Stahlbad täglicher Krisenmeldungen abgehärtete Besucher die heitere Apokalypse im Film deutlich sachlicher, ja nüchterner zur Kenntnis.
Am Ende ist der Film eine knappe halbe Stunde zu lang. Was sich im dritten Akt abspielt, ist zwar wichtig zu erwähnen für das Nachher unserer Gesellschaft, aber hätte auch kürzer erzählt werden können. Nun ja. Für kleines Geld am Kinotag gesehen; 'ist in diesen fordernden Zeiten ja auch was.
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24