Tulpenfieber
USA 2017, Laufzeit: 107 Min., FSK 6
Regie: Justin Chadwick
Darsteller: Alicia Vikander, Christoph Waltz, Dane DeHaan
>> tulpenfieber-derfilm.de/
Opulentes Kostümdrama mit historischem Hintergrund
Verrückt nach Blumen
„Tulpenfieber“ von Justin Chadwick
Jahrhunderte bevor die Niederlande zum Tulpenmeer wurden, das wir heute kennen, waren sie der Schauplatz eines echten Kuriosums der europäischen Geschichte. Um 1634 geriet das Land völlig in den Griff einer Tulpenmanie. In Amsterdams Spielhöllen und Spelunken gingen die neu aus dem Osmanischen Reich eingeführten Blumenzwiebeln zu horrenden Preisen über die Theken. Seltene Exemplare wurden sogar gegen Diamanten oder ganze Grachtenhäuser eingetauscht, bis der Markt 1637 über Nacht implodierte. Die sogenannte „Mutter aller Börsenblasen“ verschmolz die britische Schriftstellerin Deborah Moggach 1999 in ihrem historischen Roman „Tulpenfieber“ thematisch ziemlich süffig mit der Geschichte einer verbotenen Liebe.
Nach einem Skript von Oscarpreisträger Tom Stoppard („Shakespeare in Love“) setzte der – im Kostümgenre stabil vorgebildete – Regisseur Justin Chadwick („Die Schwester der Königin“) das Buch nun um. 1636 wird die im Kloster aufgezogene Waise Sophia (Alicia Vikander) von ihrer geschäftstüchtigen Oberin (Judi Dench) dem verwitweten Kaufmann Cornelis Sandvoort (Christoph Waltz) als Ehefrau und Gebärmaschine übergeben. Der reiche Cornelis braucht einen Nachkommen, doch trotz allnächtlicher – und tragikomisch peinlicher – Bemühungen wird Sophia nicht schwanger. Während in Amsterdam das Tulpenfieber grassiert, verliebt sie sich Hals über Kopf in den jungen Maler Jan van Loos (Dane DeHaan), der das Ehepaar Sandvoort porträtieren soll. Bald schmieden Sophia und Jan einen durchgeknallten Fluchtplan, der unter anderem eine äußerst rare Tulpenzwiebel, eine vorgetäuschte Empfängnis, einen bestechlichen Arzt (extrem witzig: Tom Hollander) und Sophias schwangere Magd Maria (Holliday Grainger) involviert.
Chadwicks Schmachtstück bringt mit, was sich für ein barockes Ausstattungsfest gehört: einen mitreißenden Prolog, prächtige Kostüme und Kulissen, sattes Zeitkolorit. Die Stadt malt Chadwick als Moloch in dreckigen Braun- und Gelbtönen, vollgestopft mit Fischern und Säufern. Mitten hinein tupft er wie eine Zierblume eine makellos ausgeleuchtete, in Blütenweiß und reines Blau gekleidete Alicia Vikander. Der statuenhaften Inszenierung zum Trotz schafft es die Oscarpreisträgerin, ihrer Figur Leben und Tiefe einzuhauchen. Relatives Pech hat daneben „Valerian“-Shootingstar Dane DeHaan, der zur Profilierung von Chadwick schlicht nicht genug Szenen außerhalb des Lotterbetts bekommt. Klischierte Nebenfiguren wie „Hangover“-Sidekick Zach Galifianakis als Jans debiler Freund und Model Carla Delevingne als gerissene Hure bremsen das Drama zusätzlich aus. Dagegen brilliert Christoph Waltz mit der subtilsten Leistung seit Jahren. Sein gehörnter Kaufmann ist am Ende der überraschende Sympathieträger in einer Bilderorgie, die insgesamt wunderschön anzusehen ist. Nur der reichlich blumige Plot hätte zwei oder drei Intrigen weniger vertragen.
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24